Tod im Tal der Heiden
bin Fidelma von Cashel, Prinzessin der Eóghanacht. Ich bleibe für niemanden!«
Wie sie es fertigbrachte, wußte nicht einmal Eadulf, aber vor der reinen Macht ihrer Persönlichkeit prallte Rudgal einen Schritt zurück, und schon war sie durch die Tür und draußen im Hof. Sie schaute sich nicht um, ob Eadulf ihr folgte, sondern ging rasch über den Hof des
rath
zum Gästehaus. Drinnen nahm sie einen Krug Wasser und goß sich einen Becher ein.
Eadulf eilte ihr nach und schloß die Tür. Er sah sie nervös an und stellte fest, daß ihr Gesicht von Lachfältchen durchzogen war. Verwirrt schüttelte er den Kopf.
»Das verstehe ich nicht.«
Fidelma war in bester Stimmung.
»Ob Laisre das beabsichtigt hat oder nicht, diese Ratssitzung war eine Farce. Sie wurde abgehalten, um entweder Zeit zu vergeuden oder uns von der Verhandlung abzulenken, zu der wir hergeschickt wurden. Ich muß noch klären, aus welchem Grunde und wer dafür verantwortlich ist. Außerdem, ob dieser blöde Bruder Solin bei dieser Täuschung mitwirkte.«
»Das verstehe ich immer noch nicht.«
»Statt die Dinge zu besprechen, über die wir hier verhandeln sollten, hat Murgal absichtlich versucht, uns in den Sumpf einer zeitverschwendenden Debatte über unsere unterschiedlichen Anschauungen zu locken. Wenn ich das als Ausgangspunkt akzeptiert hätte, könnten wir uns hier noch wochenlang streiten. Warum? Welchem Zweck sollte das dienen? Es blieb mir gar nichts anderes übrig, als mich so zu verhalten, wie ich es getan habe, und ihren Schwindel auffliegen zu lassen.«
»Fliegt ihr Schwindel auf?« wollte Eadulf wissen.
Draußen näherten sich Stimmen.
Eadulf blickte aus dem Fenster.
»Es sind Bruder Solin und sein Schreiber. Er scheint nicht gerade in bester Laune zu sein.«
Einen Moment darauf stürmte Bruder Solin in den Raum. Sein Gesicht war noch rot vor Beschämung.
»Wenig genug hast du mich dabei unterstützt, den Glauben zu verbreiten«, fuhr er Fidelma ohne Vorrede an. »Du hast weiter nichts erreicht, als unsere Gastgeber zu beleidigen und alle Wege zu verbauen, auf denen wir den Glauben in dieses Tal bringen könnten.«
»Es ist nicht meine Aufgabe, dir in einer theologischen Debatte beizuspringen«, entgegnete Fidelma, und Solin zuckte zusammen bei ihrem scharfen Ton. Wenn er erwartet hatte, sie werde sich seiner Führungsrolle beugen, wußte er es jetzt besser. Sie wandte sich an Eadulf. »Sattle bitte unsere Pferde, ich komme gleich nach. Ich packe inzwischen unsere Taschen und bringe sie mit.«
Zögernd ging Eadulf an die Ausführung seines Auftrags.
Bruder Solin schaute entgeistert drein.
»Willst du das wirklich tun? Du kannst doch jetzt nicht abreisen!«
Sie sah ihn kalt an.
»Wer will mich daran hindern? Und was geht das dich überhaupt an?«
»Du willst von hier fort, nachdem du den Fürsten und seinen Rat auf diese Art beleidigt hast?«
»Der Fürst und sein Rat haben mich beleidigt, indem sie nicht das besprochen haben, was vereinbart worden war.«
In hilfloser Aufregung breitete Bruder Solin die Hände aus.
»Aber man muß doch in allen Dingen geben und nehmen können? Diese Leute erwarten Versicherungen über unseren Glauben, und es ist unsere moralische Pflicht, sie ihnen zu geben. Jedem etwas vom Glauben und …«
»Armer Bruder Solin«, sagte Fidelma, und die Härte ihres Tons verriet keinerlei Mitleid. »Du siehst nicht oder willst nicht sehen, daß man dich in eine endlose Debatte hineingezuziehen versuchte, bei der auf kleine theologische Einzelheiten viel Zeit vergeudet werden würde. Ich bin nicht sicher, ob du ein Schurke oder ein Trottel bist. Warum willst du Zeit verschwenden, die woanders besser angewendet werden könnte? Meinst du wirklich, dies wäre der geeignete Moment gewesen für den Versuch, Murgal und seine Anhänger zum Glauben zu bekehren? Du hättest an den weisen Spruch denken sollen:
fere libenter homines quod volunt credunt-
die Menschen glauben gewöhnlich das, was sie glauben wollen.«
»Ich weiß nicht, was du damit meinst«, wich Bruder Solin aus.
Sie musterte ihn eingehend.
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich möchte nicht annehmen, daß du bewußt eine Rolle bei dieser Ablenkung gespielt hast.«
Sie wandte sich ab, eilte die Treppe hinauf, nahm ihre Satteltaschen und holte die Eadulfs aus dessen Zimmer. Dann kehrte sie in den Hauptraum zurück.
»Möglicherweise kreuzen sich unsere Pfade wieder einmal, Bruder Solin, aber ich hoffe, der Tag kommt nicht so bald«,
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