Tod im Tal der Heiden
Eadulf. Ich glaube, ich weiß, wo wir die Kühe finden.«
Eadulf war überrascht.
»Komm mit«, sagte Fidelma, wandte sich um und ging voran, von Artgals Hof fort. Verwundert folgte ihr Eadulf, als sie zuversichtlich den Weg bergab einschlug und auf die Gruppe von Gebäuden zuging, die von Ronans Hof beherrscht wurde. Sie liefen schweigend den Berg hinab, denn Fidelma schien in tiefes Sinnen versunken. Eadulf wußte, daß er sie lieber nicht störte, wenn sie in so nachdenklicher Stimmung war.
Er war erstaunt, als sie am Fuße des Berges vom Weg abbog, auf das kleine Haus der Prostituierten Nemon zusteuerte und dort anklopfte.
Nemon kam sofort heraus und sah sie überrascht an. Dann rang sie sich ein schiefes Lächeln ab, das nicht gerade einladend wirkte.
»Ihr beide schon wieder? Es heißt doch, du hättest den Mann umgebracht, nach dem du gefragt hast – wie war doch gleich sein Name? Solin?«
»Das ist ein Irrtum«, erklärte ihr Fidelma mit Bestimmtheit.
»Na, ich kann euch nicht mehr über Solin sagen, als ich euch schon gesagt habe«, erklärte die Frau naserümpfend und wollte die Tür schließen.
»Nicht wegen Solin möchte ich dich sprechen. Dürfen wir reinkommen?« Fidelma hatte bemerkt, daß Bairsech, die stämmige Frau Ronans, auch wieder vor ihrem Haus erschienen war, die Arme verschränkt und damit ihre Lieblingsstellung eingenommen hatte und sie unverhohlen mit feindseliger Neugier beobachtete.
Nemon blieb gleichmütig. Sie trat zur Seite und ließ Fidelma und Eadulf durch.
»Zeit ist Geld«, meinte die fleischliche Frau und sah Eadulf bedeutungsvoll an.
»Wie du uns beim vorigen Mal schon sagtest«, stimmte ihr Fidelma freundlich zu. »Aber diesmal untersuche ich als
dálaigh
einen Mordfall. Welchen Preis hast du für deine drei Milchkühe verlangt?«
Eadulf war verblüffter als Nemon, denn die Frau zeigte keine Reaktion.
»Ich habe den gängigen Preis verlangt, einen
séd
pro Kuh, einen
cumal
für alle drei. Ich gebe das Geld nicht zurück, und ich melke die Kühe auch nicht mehr. Artgal hätte sie abholen sollen, oder jedenfalls die beiden, die er heute morgen haben sollte. So war es vereinbart.«
Fidelma schaute aus dem Fenster und sah die Kühe auf der Wiese grasen.
»Aus welchem Grund hast du Geld angenommen? Ich dachte, hier würde man gewöhnlich Tauschhandel treiben?«
»Ich will nicht mein ganzes Leben an diesem Ort verbringen. Geld kann mir die Freiheit außerhalb von Gleann Geis verschaffen.«
»Das stimmt allerdings. Was hast du vereinbart? Daß du die Kühe versorgen würdest, bis Artgal sie abholen und auf seinen Hof bringen würde?«
Nemon nickte.
»Er sollte sie heute nach dem Melken abholen, jedenfalls zwei davon. Die dritte sollte ich noch eine Woche behalten und sie dann ihm ebenfalls überlassen.«
»Du wurdest im voraus bezahlt?«
»Natürlich. Ich bin doch nicht blöd.«
»Das hat auch keiner behauptet, Nemon. Hat Ibor von Muirthemne dir sonst noch Anweisungen gegeben?«
Zum erstenmal sah Nemon verwirrt aus.
»Ibor von Muirthemne? Was hat der damit zu tun?«
»Hat er dir denn nicht die Kühe abgekauft?« fragte Fidelma zögernd.
»Der? Na! Der hat mich ja nicht mal besucht. Der blieb da drüben bei Ronan und seiner Frau. Ich traf ihn auf dem Weg, aber er war an meinen Diensten nicht interessiert. Das war das erstemal, daß mir ein Kaufmann begegnet ist, der weit weg von seiner Heimat war und die Dienste einer Frau nicht annehmen wollte. Warum sollte der mir die Kühe abkaufen?«
Fidelma hatte geduldig das Ende ihrer Rede abgewartet.
»Wenn es nicht Ibor von Muirthemne war, der deine Kühe kaufte, wer war es dann?«
»Der Junge natürlich.«
»Der Junge?«
»Der Junge, wie heißt er doch gleich? Er ist einer von euch – er hat das Haar geschnitten wie dieser Fremde hier. Ich habe ihn mit Solin zusammen gesehen.«
»Bruder Dianach?« fragte Eadulf langsam.
»Dianach, so heißt er«, bestätigte Nemon.
Fidelma starrte sie verblüfft an.
»Wann kam denn Bruder Dianach her und kaufte die Kühe?«
Nemon dachte nach.
»Mitten in der Nacht war es. Na, jedenfalls nicht lange nach Tagesanbruch. Ich schlief fest, als er klopfte. Ich dachte, er wünschte meine Dienste, aber er ging vor Schreck fast in die Luft, als ich das vorschlug. Was ist bloß los mit den Männern, die eurem Gott anhängen? Warum sind sie so kleinlich und so prüde? Sind denn keine richtigen Männer darunter?« Sie hielt inne und lächelte verächtlich. »Na, den Untersetzten, der
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