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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Aussicht auf einige Informationen in einem fremden
Land, unter fremden Menschen.
    Als sie an Melaten vorbeifuhren, durchlief Elisabeth ein
Schauer. Sie erinnerte sich gern an den alten, heiligen Mann,
aber der Schrei in der Nacht, der sie geweckt hatte, war
schrecklich gewesen.
    Und am anderen Morgen hatte sie gehört, dass einer der
Siechen in der Nacht gestorben war.
     
    Andreas kehrte aufgeregt nach Sankt Kolumba zurück. Er
eilte in das Pfarrhaus, hastete die Treppe so schnell hinauf,
dass die alte Grete nur den Kopf schüttelte, und polterte in
Johannes Hülshouts Studierstube, ohne anzuklopfen.
»Ich muss sofort…« Er verstummte.
    Der Pastor saß an seinem Tisch; vor ihm stand ein Mann
mit wallenden Haaren und spitzer Nase und redete mit hoher Stimme
auf den Geistlichen ein. Als dieser den Eindringling bemerkte,
gebot er dem Mann mit einer barschen Handbewegung zu schweigen
und fuhr Andreas an: »Siehst du nicht, dass ich mitten in
einem wichtigen Gespräch bin? Warte bitte
draußen.«
    »Aber… aber ich muss sofort abreisen.«
    Hülshout zog die Augenbrauen zusammen. »Abreisen?
Wohin?«
    »Nach London.«
    »Warum?«
    »Weil… weil Elisabeth… die Bonenbergerin
mit ihrem Mann dorthin…«, stammelte Andreas.
    »Es stünde dir gut an, wenn du dich weniger um
Weiberröcke und Tote und dafür mehr um unsere
Pfarrkinder kümmern würdest«, gab Hülshout
kalt zurück.
    »Aber… aber ich muss sie doch
begleiten.«
    »Ach ja? Glaubst du, sie kann nicht auf sich selbst
aufpassen? Ich kenne die Bonenbergerin mindestens so gut wie du,
mein Sohn. Sie braucht keinen Wachhund. Ist sie immer noch hinter
dem angeblichen Mörder ihres Bruders her?«
    Andreas nickte.
    »Dann lass sie in Ruhe. Du wirst hier gebraucht, denn
ich muss mit dem ehrwürdigen Meister des Maleramtes in seine
Werkstatt gehen. Unser Hochaltar ist beinahe fertig. Der Meister
will noch letzte Pinselstriche an meinem Bildnis ausführen,
das er darauf verewigen will.« Er stand auf und
lächelte dem Mann mit der spitzen Nase dankbar zu.
»Weißt du, ich werde beim Tempelgang Mariens vor den
Stufen knien. Und der Evangelist Johannes wird den Rock eines
Universitätslehrers tragen, genau wie ich. Und er wird vor
seinen Schülern sitzen, wie ich es tue. Unser Meister ist
wirklich ein Genie.«
    Der Gelobte verneigte sich leicht, und die geckenhafte Feder
an seinem Hut tanzte dabei hektisch auf und nieder.
    »Ich werde vor morgen früh nicht zurück sein.
Du musst also alle Messen lesen. Vikar Peters von Sankt
Laurentius wird dich ausnahmsweise unterstützen, doch auf
deine Anwesenheit kann Sankt Kolumba nicht verzichten.
Gefährde nicht dein Seelenheil und das deiner
Anbefohlenen.« Mit diesen Worten verließ
Hülshout mit dem Meister das Zimmer und ließ Andreas
allein zurück.
     
    Enttäuscht ging Andreas in die Kirche und betete vor dem
Marienaltar. Warum hatte Elisabeth ihm nichts von ihrer Abreise
gesagt? Vertraute sie ihm nicht? Warum hatte er es durch die Magd
erfahren müssen? Er fühlte sich verletzt. Doch noch
mehr verwirrte ihn die Existenz dieses Gefühls. Er gestand
sich ein, dass er sich in Elisabeths Gegenwart sehr wohl
fühlte.
    Zu wohl für einen Geistlichen.
    Und nun bangte er um sie. Die Reise nach London war nicht
ungefährlich. Er betete ein Ave Maria für sie.

 
ELF
     
     
    Die vier schwer mit Weinfässern beladenen Wagen kamen auf
den holperigen Straßen langsamer voran, als Heinrich
Bonenberg geplant hatte. Immer wieder trieb er seine Kutscher zur
Eile an, denn wenn er das Rinck’sche Schiff in Antwerpen
verpasste, käme das einer Katastrophe gleich. Er hatte den
Stauraum bereits bezahlt und wusste nicht, wann sich die
nächste Möglichkeit für eine Überfahrt bieten
würde. Kölnische Kaufleute waren in den großen
Kontorstädten wie Brügge und Antwerpen nicht mehr gern
gesehen, seit Köln wegen seines Englandhandels vor vier
Jahren aus der Hanse ausgeschlossen worden war. Nur der
mächtige Kölner Kaufmann und Ratsherr Rinck war durch
seine hervorragenden Kontakte noch in der Lage, von Antwerpen aus
London anzusteuern.
    Elisabeth saß auf dem Wagen, der hinter jenem ihres
Gemahls fuhr. Sie sah, wie Heinrich sich immer wieder umdrehte,
ungeduldige Gesten machte und bisweilen selbst die Peitsche
schwang. Sie hoffte genau wie er, dass die Kolonne das Schiff
noch rechtzeitig erreichte, doch sie hatte andere Gründe.
Ihr war nur wichtig, nach London zu kommen

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