Tod im Weinkontor
Elisabeth empfand diese Vorsichtsmaßnahme
als sehr angenehm, denn auf diese Weise blieb sie in den
Nächten von ihrem Mann unbehelligt.
Die Reise verlief ohne Zwischenfälle, sodass sie
Antwerpen rechtzeitig erreichten. Zuerst wollten die Wächter
am Tor die Kolonne aus dem verhansten Köln nicht in die
Stadt lassen, doch der Name Rinck, auf dessen Schiff sich
Heinrich Bonenberg die Passage gekauft hatte, verschaffte ihnen
schließlich Einlass. Sie fuhren auf geradem Wege zum Hafen
an der Scheide. Mit großer Neugier betrachtete Elisabeth
die Häuser aus Backstein, die wuchtigen Kirchen und die
großen Plätze. Sie wäre gern ein wenig durch die
Gassen und über die Märkte geschlendert, doch Heinrich
gestattete keinen Aufschub.
Es war schwere Arbeit, die Fässer auf den Kraweel zu
verladen, der unter dem Namen »Kölner Freiheit«
segelte. Als sich der Wein wohlbehalten an Bord befand, schickte
Bonenberg die Wagen zurück nach Köln; nur er und seine
Frau begaben sich auf den Segler. Sie teilten sich eine
Kajüte.
Kurz nachdem der Kraweel abgelegt hatte, kletterte Heinrich in
den Laderaum und sah nach den Fässern. Hoffentlich bleibt er
die ganze Zeit über dort, dachte Elisabeth. Der Gedanke, mit
ihrem Mann allein in dieser Kajüte zu sein, gefiel ihr
nicht. Inzwischen konnte sie nicht mehr behaupten, noch unrein zu
sein, denn schließlich waren seit seinem Versuch, ihr
beizuwohnen, bereits fast zwei Wochen vergangen. Mit bangem
Herzen setzte sie sich auf ihr Bett und horchte.
Das Schiff ächzte und knarrte, schaukelte und
schlingerte. Die Kajüte hatte kein Fenster, nirgendwo gab es
einen festen Punkt, an den sich das Auge halten konnte. Elisabeth
spürte, wie ihr die Übelkeit in die Kehle kroch.
Die Kajütentür wurde aufgerissen, und Heinrich trat
ein. Er rieb sich die Hände. Das Schaukeln des Schiffes
schien ihm nicht das Geringste auszumachen. »Alles gut
verstaut, keine Gefahr, dass auch nur eines der Fässer leck
schlägt, selbst wenn wir in einen Orkan geraten
sollten.« Er setzte sich auf das Bett gegenüber von
Elisabeth und sah sie an. »Warum?«
»Warum? Warum was?«
»Warum begleitest du mich auf dieser Reise?«
Sie legte die Hände in den Schoß und wich seinem
Blick aus. »Weil ich etwas von der Welt sehen
möchte.«
»Du wirst nichts von der Welt sehen außer der
Kajüte, der Straße und dem Stalhof.«
Nun sah sie ihn an. In ihren grünen Augen loderten kleine
Feuer. »Willst du mir etwa verbieten, mich in London
umzusehen?«, fragte sie scharf.
Er lächelte. »Hast du erwartet, dass ich dir die
Erlaubnis gebe, allein durch diese gefährliche, fremde Stadt
zu ziehen?«, fragte er zurück. »Das schickt sich
nicht für eine ehrbare Frau. Du legst doch sonst so viel
Wert auf deine Ehre«, fügte er hinzu. »Auch wenn
es dir die Ehre inzwischen nicht mehr verbieten dürfte, mir
zu Willen zu sein.« Er faltete die Hände vor seinem
enormen Bauch.
»Die Ehre vielleicht nicht, soweit es meinen Mond
angeht«, erwiderte Elisabeth mit heiserer Stimme,
»aber unser Ehevertrag verbietet es weiterhin.«
Heinrich sprang auf und runzelte die Stirn, sodass die
dichten, dunklen Brauen zusammenstießen. »Du bist
eine falsche Schlange!«, brauste er auf. »Erinnere
dich, dass du mir erlaubt hast, meine Lust an dir zu stillen,
nachdem ich dir alles über deinen Bruder gesagt habe, was du
wissen wolltest. Nennst du es etwa Ehrsamkeit, wenn du unsere
Abmachung brichst?«
»Ich werde die Abmachung nicht brechen«, beeilte
sich Elisabeth zu sagen und dachte fieberhaft nach, wie sie ihn
sich weiterhin vom Leibe halten konnte. »Mir… mir
ist so übel.«
»Mir nicht«, entgegnete Heinrich, stand auf und
knöpfte sich das Wams auf. »Mir ist nur
heiß.« Er grinste sie an.
Das Schiff schaukelte immer heftiger. Draußen schien ein
Sturm zu toben. Mit schlingerndem Gang kam Heinrich auf sie
zu.
Da geschah es.
Aus dem Bauch des Kraweels ertönte ein schreckliches
Knarren wie von berstenden Planken. Heinrich erstarrte. Im
nächsten Augenblick war er bereits mit flatterndem, offenem
Wams aus der Kajüte gestürmt.
Elisabeth atmete auf. Sie hatte einen Aufschub erhalten.
Die Überfahrt war schrecklich. Es tobte ein furchtbarer
Sturm, der das Schiff auf den Wellenkämmen hin und her warf.
Mehr als einmal bestand die Gefahr, dass der Kraweel kenterte
oder einen Mast verlor. Heinrich verbrachte die ganze Zeit im
Lagerraum bei seinen
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