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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Fässern, von denen er mehrfach beinahe
erschlagen worden wäre.
    Nur Elisabeth war für diesen Sturm dankbar, auch wenn ihr
entsetzlich übel war. Fünf Tage später, knapp
hinter der Themsemündung, geriet das Schiff in ruhiges
Gewässer. Es war schon Abend, als die »Kölnische
Freiheit« bei dem großen Kran am Ende der Windgoose
Lane festmachte. Doch die Ladung konnte erst am nächsten
Morgen gelöscht werden, denn die Tore des Stalhofes waren
bereits verschlossen. Heinrich vertraute niemandem und verbrachte
auch diese Nacht bei seinem Wein, sodass Elisabeth endlich wieder
einmal ein ruhiger Schlaf vergönnt war.
    Bereits im Morgengrauen wurde der Kraweel entladen. Elisabeth
kroch aus ihrer Koje, als sie das Rumpeln und gedämpfte
Rufen hörte, und taumelte über die schwankende
Plankenbrücke von Bord. Heinrich stand am Kai und
überwachte das Ausladen seiner geliebten Fässer. Immer
wieder ballte er die Hände zu Fäusten, wenn sich ein
Fass an den Seilen über die Reling hob und der Kran es durch
die Luft in Richtung des Kais schwenkte.
    Zunächst mussten sie zum königlichen Kämmerer
neben der Guildhall verbracht werden, der ihren Inhalt
überprüfte, bevor sie eingelagert werden konnten. Da
dies einige Zeit beanspruchen würde, befahl Heinrich einem
deutschen Mitarbeiter des Stalhofes, er solle Elisabeth ihr
Quartier zuweisen. Heinrich wollte sich nach der Prüfung des
Weins sofort um den Verkauf kümmern und brummte Elisabeth
zu, er wisse nicht, wann er zurück sein werde.
    Natürlich hatten sie ein gemeinsames Zimmer, wie
Elisabeth mit sinkendem Mut feststellen musste, als der junge,
etwas linkische Mann in dem viel zu engen, viel zu kurzen Wams
ihr die kleine Kammer unter dem Dach der Guildhall aufschloss.
Nachdem er ihr Gepäck und das ihres Mannes gebracht hatte,
verneigte er sich tief vor Elisabeth und ließ sie
allein.
    Die Gelegenheit war einfach zu günstig. Elisabeth
rückte ihre Haube zurecht und nahm ihren Mantel, denn in
London war es trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit noch
empfindlich kühl, und verließ das Zimmer. Sie eilte
mit leisen Schritten durch die Korridore des großen
Gebäudes, begegnete vielen Kaufleuten, hörte
hauptsächlich die rheinische Mundart und hoffte, von
niemandem aufgehalten zu werden, der sie möglicherweise
kannte. Die meisten Männer waren freundlich zu ihr. Einige
zogen das Barett und nickten ihr höflich zu, doch niemand
stellte sich ihr in den Weg.
    Sie war froh, als sie endlich die holzgetäfelten
Gänge und Zimmer hinter sich gelassen hatte und auf der
Straße stand. Sie blickte nach rechts, nach links, wieder
nach rechts. Die Thames Street, in der sie sich nun befand, war
sehr breit und von Fuhrwerken aller Art verstopft.
Ochsengefährte, Wagen mit edlen Pferden davor und sogar
Hundekarren kämpften um jede Hand breit Platz. Kutscher
riefen verärgert Worte, die Elisabeth nicht verstand,
Fußgänger drängten sich überall dazwischen,
wurden angebrüllt und brüllten zurück. Pferde
schnaubten, Hunde kläfften, Schweine grunzten und quiekten
auf, wenn sie getreten wurden. Die Häuser wirkten einfacher
als in Köln. Sie hatten keine Giebel, sondern sahen wie
abgeschnitten aus. Doch ihre Fenster waren groß, und viele
trugen vornehme Verglasungen.
    Wie sollte Elisabeth hier Edwyn Palmer finden? Ludwig hatte
einmal gesagt, Palmers Haus läge unweit der Guildhall im
Schatten von All Hallows, der Kirche des Bezirks. Rechts von ihr
sah sie in einiger Entfernung einen Kirchturm über die
Häuser ragen, den keine Spitze zierte – anders, als
sie es von den alten spitzbedachten Kirchen in ihrer Heimatstadt
gewohnt war, wenn man vom stummelig-unfertigen Dom absah. Sie
schritt auf die Kirche zu. Ihre Tracht erregte Aufmerksamkeit.
Feindselige Blicke trafen sie, manche waren sogar lüstern.
Plötzlich fühlte sie sich sehr verloren und einsam. Sie
kannte niemanden hier, niemand würde ihr zu Hilfe kommen,
wenn sie überfallen werden sollte. Sie konnte sich nicht
einmal verständlich machen. Würde dieser Palmer sie
überhaupt verstehen? Ihr Bruder hatte fließend
Englisch gesprochen, aber sie hatte keine Ahnung, ob Palmer des
Deutschen mächtig war.
    War es nicht eine gewaltige Dummheit von ihr gewesen, hierher
zu kommen? Was erwartete sie von dieser Reise? Mit gesenktem Kopf
ging sie voran. Irgendwo hier, entweder im Stalhof oder in dessen
Umgebung, hatte Ludwig etwas Schreckliches erfahren. Lag

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