Tod im Weinkontor
Vermutlich befand er sich auf der Jagd nach einem
Käufer für seinen Wein.
Elisabeth vermied es sorgfältig, den wahren Grund ihres
Aufenthaltes zu enthüllen, denn selbst diese beiden
freundlichen Herren mit ihren guten Manieren und ihrem angenehmen
Äußeren konnten am Tod ihres Bruders beteiligt gewesen
sein. Sie durfte niemandem trauen. Wie sehr wünschte sie
sich, dass Andreas Bergheim hier wäre. Sie könnte mit
ihm das weitere Vorgehen planen, sie könnte sich mit ihm
bereden, er könnte sie trösten und das schreckliche
Erlebnis in dem Wirtshaus vergessen machen. Länger, als ihr
lieb war, verweilten ihre Gedanken bei ihm. Bei seiner angenehmen
Stimme, seiner Zurückhaltung, seiner Freundlichkeit, dem
zart geschnittenen Gesicht mit den lieben Augen, der
männlichen Gestalt… Sie zwang sich dazu, ihren
Tischgenossen die gebotene Aufmerksamkeit zu schenken.
Nach dem vorzüglichen Essen begab sie sich wieder in ihre
Kammer und wartete. Sie traute sich noch nicht, einen neuen
Versuch zur Auffindung Edwyn Palmers zu unternehmen. Müde
setzte sie sich auf ihr Bett, dann legte sie sich hin, und
schließlich war sie eingeschlafen.
Als sie erwachte, war es draußen bereits dunkel. Das
Zimmer lag in tiefer Finsternis, in der kaum die Truhe und die
Betten zu erkennen waren. Doch der Schatten, der sich vor ihr
erhob, war trotzdem deutlich zu sehen.
Es stank nach Wein. Wie in einem Weinkeller oder einer
schlecht gelüfteten Schankstube, dachte Elisabeth. Der
Schatten stieß einen dumpfen Rülpser aus.
»Elisabeth, mein Eheweib, mir ist nach Feiern
zumut!«, grunzte der Schatten. Sie hörte, wie er sich
auszog. Stoff riss. »Verdammt! Wo ist eine Kerze,
Weib?«
Elisabeth gab keine Antwort. Sie zitterte. Nun war es
unausweichlich. Sie war ihm ausgeliefert. Fern der Heimat. Auf
Hilfe konnte sie nicht rechnen. Wenn doch Andreas hier
wäre!
Heinrich schwankte hinüber zu ihrem Bett und
rüttelte sie durch. »Schläfst du schon, Weib?
Dann wach auf. Gleich wirst du die Engel singen
hören.«
Sie tat so, als sei sie schlaftrunken. »Lass mich in
Ruhe«, stöhnte sie müde und wälzte sich auf
die Seite, der Wand zu.
Mit einem Sprung war er bei ihr im Bett. Fast hätte sie
vor Schreck laut aufgeschrien. Er drängte sich an sie; sie
spürte seinen dicken Bauch im Rücken und etwas tiefer.
Mit seinen breiten, groben Händen hob er ihr den Rock und
griff ihr zwischen die Schenkel. Ihre Gedanken rasten. Sollte sie
sich wehren? Sollte sie mit der Aufhebung des Ehevertrages
drohen? Heinrich war keinen Vernunftgründen mehr
zugänglich. Er tobte und grunzte hinter ihr wie ein
brünstiges Tier. Nun konnte sie nur noch beten.
Mit einem einzigen Stoß zerriss er ihre Jungfernschaft.
Schmerzpfeile durchrasten sie. Sterne tanzten ihr vor den Augen,
und zwischen den Schenkeln schien sie nur noch eine einzige
klaffende Wunde zu sein. Sie schrie auf, doch das hielt Heinrich
nicht von seiner Raserei ab. Hoffentlich war er schnell fertig.
Sie hatte von Frauen gehört, denen das eheliche
Beisammensein Vergnügen machte. Wie konnte das nur sein? Vor
Pein blieb ihr der Atem weg. Sie konnte nur noch krächzen.
Heinrich schien ihre Laute zu missdeuten und lallte:
»Macht… macht dir doch Spaß, nicht
wahr?« Etwas Heißes ergoss sich in sie. Seine
Bewegungen hörten auf, seine schlaff gewordene Rute rutschte
aus ihr heraus, er fiel über die Bettkante und plumpste
schwer zu Boden. Dort blieb er liegen und begann laut zu
schnarchen.
Elisabeth krümmte sich zusammen und wimmerte. Die
Schmerzen wollten nicht aufhören. Nur ein einziger Gedanke
gab ihr ein wenig Kraft. Als sie daran dachte, atmete sie wieder
gleichmäßiger. Nun hatte Heinrich den Ehekontrakt
verletzt, und sie konnte es mit ihrer verlorenen Jungfernschaft
beweisen. Er war in ihrer Hand.
Und er hatte sie nicht ausgezogen. Es war nicht zum
Schlimmsten gekommen. Sie wollte nicht daran denken, was
möglicherweise geschehen wäre, wenn er ihre nackte Haut
berührt hätte. Überall…
Aber es machte die Vergewaltigung nicht ungeschehen. Sie
schluchzte und weinte.
Noch vor Sonnenaufgang schlich sich Elisabeth aus dem Zimmer.
Sie war über ihren schwer atmenden, in tiefem Schlaf
befangenen Gatten hinweggestiegen, hatte benommen im Dunkeln nach
ihrem Mantel getastet, sogar ihre Haube gefunden und sich
notdürftig angekleidet. Sie wollte nicht länger mit
diesem Scheusal von Mann zusammen in einem Zimmer
Weitere Kostenlose Bücher