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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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kaufen. Offenbar ist
er erfolgreich gewesen, denn die Lieferung vorhin stammt aus
diesen Geschäften. Und danach wollte er nach Köln
Weiterreisen und dort einige Zeit bleiben – wohl
irgendwelcher anderer Geschäfte wegen.«
    »Nach Köln?«, fragte Elisabeth
ungläubig. War das reiner Zufall? Sie rutschte auf dem
unbequemen, knarrenden Stuhl hin und her. Sollte sie dieser Frau
vertrauen? »Wann kommt er zurück?«
    Anne Palmer zuckte die Schultern und nahm dann einen tiefen
Schluck aus ihrem Becher. »Ich weiß es nicht. Wir
führen unser kleines Handelshaus zwar grundsätzlich
gemeinsam, doch er sagt mir nie, wie lange er wegbleibt. Ich
erwarte ihn aber kaum vor dem übernächsten Monat
zurück.« Sie schaute Elisabeth, die wieder zu zittern
begonnen hatte, mitfühlend an. »Hat Euch der Tod Eures
Bruders so erschüttert?«, fragte sie mit milder
Stimme.
    »Ja, aber das… das ist es nicht allein«,
murmelte Elisabeth und trank ihren Becher leer. Bevor sie
bemerkte, was sie tat, erzählte sie dieser fremden Frau die
leidvolle Geschichte der letzten Nacht. Als sie damit fertig war,
fühlte sie sich etwas besser. Es tat so gut, mit einer Frau
darüber sprechen zu können. Welch ein Glück, dass
sie diese Landsmännin gefunden hatte. Ob Gott sie ihr
geschickt hatte? Oder Andreas? Auch der Gedanke an ihren
brüderlichen Freund tat ihr gut.
    Anne Palmer hatte schweigend zugehört. Ihr Blick
kündete von großem Entsetzen. Und von Verstehen.
    »Euch ist Schreckliches widerfahren«, sagte sie
schließlich mit belegter Stimme. »Ich kenne das nur
allzu gut.«
    Elisabeth sah sie dankbar an. Hier schien sie eine Freundin im
Leid gefunden zu haben – hier in der Fremde, wo sie es
niemals vermutet hätte. Und nun berichtete Anne Palmer ihre
eigene Geschichte.
    Sie stammte aus einem alten, aber verarmten Aachener
Tuchhandelshaus und war vor fünf Jahren, als sie gerade
fünfzehn geworden war, von ihrem Vater mit Edwyn Palmer,
einem damals noch wichtigen Handelspartner, verheiratet worden.
Das erste Jahr der Ehe war noch erträglich gewesen, doch
dann hatte Palmer, der schon immer zu Zornesausbrüchen
geneigt hatte, zu trinken und zu spielen begonnen, und sein
Geschäft hatte stark darunter gelitten. Seinen Unmut
ließ er immer öfter an seiner jungen, schönen
Frau aus, und auch sie kannte inzwischen die Schrecken des
Ehelagers nur allzu gut. »Ich bin froh, dass er weg ist,
und wenn es nach mir ginge, brauchte er erst gar nicht
wiederzukommen«, sagte sie und brach nun auch in Schluchzen
aus. Elisabeth stellte ihren Krug auf dem unsauberen Boden ab,
stand auf und nahm Anne in den Arm. Diese spürte, dass
geteiltes Leid nur halb so schwer wiegt. Anne Palmer richtete
ihren tränenverschleierten Blick auf Elisabeth und sagte:
»Es tut mir Leid, dass ich Euch mit meiner Geschichte
behellige. Aber es tat gut, mir diese schlimmen Dinge einmal von
der Seele zu reden. Dabei ist Edwyn ein so schöner und
prächtiger Geselle! Aber gleichzeitig ist er ein
Teufel!«
    Elisabeth nickte und strich mit der Hand sanft über die
blonden Haare und die Wangen der jungen Frau.
    »Darf ich nun doch erfahren, was Ihr mit meinem Gatten
bereden wolltet?«, fragte Anne Palmer.
    »Nachdem ich Eure Geschichte angehört habe,
weiß ich nicht, ob ich überhaupt noch etwas mit ihm
bereden möchte«, meinte Elisabeth und setzte sich
wieder auf ihren Stuhl. Sie überlegte, ob sie auch die
Geschichte von Ludwigs Tod dieser armen, unglücklichen Frau
anvertrauen sollte. Wenn sie es nicht tat, war sie umsonst
hergekommen, denn auf Palmer konnte sie nicht warten.
Schließlich wusste niemand, wann er zurückkehren
würde. Außerdem hatte sie keine Lust mehr, ihm
gegenüberzutreten, wo er scheinbar ein solch schrecklicher
Mensch war. »Angeblich hat mein Bruder Selbstmord begangen.
Ich habe aber den begründeten Verdacht, dass er ermordet
wurde. Ich will die Schmach von ihm und meiner Familie nehmen und
ihn rächen. Der wahre Mörder soll seiner gerechten
Strafe zugeführt werden.«
    Anne Palmer schien ihre eigenen Schmerzen wieder vergessen zu
haben. Die Tränen waren getrocknet, und neugierig sah sie
Elisabeth an. Die berichtete, dass ihr Bruder sich angeblich
erhängt hatte, und ließ auch das seltsame Zauberbuch
nicht unerwähnt. Sie legte ihre Zweifel und die Ergebnisse
der gemeinsamen Nachforschungen mit Andreas dar. Anne Palmer
hörte aufmerksam zu, schüttelte manchmal den Kopf und

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