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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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»Heiligt der Zweck die Mittel?«,
dachte er. Durfte er sich des Bösen bedienen, um zum Guten
zu gelangen? Das Buch zog ihn magisch an.
    Drei Tage später ergab sich endlich die Gelegenheit, die
Pfarrei zu verlassen. Hülshout musste eine Reise nach Bonn
antreten, und es gelang Andreas, einen der Mönche aus dem
Kreuzbrüderkloster zur Messvertretung zu überreden.
Schon früh am Morgen brach er auf; er hatte sich einen der
Apfelschimmel aus dem Pfarrstall ausgeliehen, um möglichst
schnell zu sein.
    Er ritt durch dieselben Straßen, in denen er den Dieb
verfolgt hatte, und dachte über dieses seltsame Erlebnis
nach. Er glaubte nicht, dass der Dieb es zufällig auf sein
Buch abgesehen hatte, auch wenn der Diebstahl des Spiegels eher
auf das Gegenteil schließen ließ. Langsam ritt
Andreas durch die überfüllten Straßen, vorbei an
herrschaftlichen Häusern mit Zinnen und Erkern in der
Breiten Straße, dann durch die engere Ehrenstraße mit
ihren kleinen, windschiefen Fachwerkbauten, von denen einige
schon so alt waren, dass sich ihre Balken bedenklich bogen, bis
er in der Ferne die beiden massigen, aus grobem Stein gemauerten
Rundtürme der Ehrenpforte aufragen sah. Immer wieder fasste
er sich an den Gürtel, an den er das kleine, in einem Beutel
steckende Zauberbuch gehängt hatte. Es war ihm schwer wie
Blei.
    Er ritt auf das große Wagentor in der Mitte zu und wurde
nicht angehalten. Sein Priesterrock war wie ein Passierschein,
zumindest, wenn es zur Stadt hinausging. Nun war er schon zum
zweiten Mal seit kurzer Zeit auf dem Weg nach Westen. Er dachte
daran, wie er zusammen mit Elisabeth nach Melaten geritten war.
Wo mochte sie gerade sein? Ob sie in London etwas herausgefunden
hatte? Vielleicht hatte sie in Erfahrung bringen können, was
Ludwig dort bemerkt und erlebt hatte, und vielleicht stand dieses
Zauberbuch gar nicht in Zusammenhang mit seinem Tod. Doch Andreas
war es lieber, diese vage Spur zu verfolgen, als untätig zu
bleiben. Er hatte sich entschlossen, mit Heynrici über das
Buch zu sprechen.
    Und über den Teufel.
     
    Am Tor an der Straße nach Aachen zügelte er sein
Pferd, saß ab und klopfte. Wehmütig schaute er nach
Westen. Dort hinten, irgendwo, war Elisabeth. Er sehnte sich nach
ihr – mehr, als für ihn gut war, wie er feststellte.
Doch sofort schob er diesen Gedanken beiseite.
    Derselbe Pförtner öffnete ihm; er erkannte Andreas
sogar. »Wieder zu Herrn Ulrich, unserem
heiligmäßigen Küster?«, fragte er. Andreas
nickte. Der Pförtner führte ihn abermals zu dem kleinen
Häuschen hinter der Kirche. Der Geistliche sah sich
verstohlen um. Diesmal ließ sich kein Aussätziger
blicken. Er erinnerte sich an den schrecklichen Schrei, den er
und Elisabeth in jener Nacht gehört hatten, die sie hier
hatten verbringen müssen. Und er erinnerte sich daran, dass
er kurz zuvor Heynrici im Innenhof hatte umherschleichen
sehen.
    Beim letzten Mal war Andreas so aufgeregt gewesen, dass er der
riesigen alten Linde rechts neben dem Küsterhaus keine
Aufmerksamkeit geschenkt hatte, doch jetzt drang das dunkle
Rauschen des großartigen Baumes deutlich und beruhigend in
sein Bewusstsein. Im leichten Wind knarrten die Äste. Der
Pförtner klopfte für Andreas, und bald wurde die
Tür langsam aufgezogen. Das Erste, was Andreas sah, war das
schlohweiße Haar: der Kranz um den Kopf und der wellige,
weiche, wie aus sich selbst heraus leuchtende Bart. Der
Pförtner ging.
    »Ich freue mich, dass Ihr mich wieder besuchen kommt. Wo
habt Ihr denn Eure zauberhafte Begleiterin gelassen? Bringt Ihr
mir Neuigkeiten über die Todesumstände von Ludwig
Leyendecker?«, fragte Heynrici mit seiner sanften,
melodischen Stimme. Andreas war froh, hergekommen zu sein. Hier
war er richtig. Hier wurde er verstanden.
    Heynrici bot ihm einen Stuhl an und setzte sich ihm
gegenüber. Andreas sah auf die beeindruckende Anzahl von
Büchern und kam sofort zur Sache. Er holte das Buch an
seinem Gürtel hervor, band es los und reichte es Heynrici.
Dieser schlug es auf, lächelte weise und klappte es sofort
wieder zu. »Warum zeigt Ihr mir das?«, fragte er.
    »Es hat angeblich Ludwig Leyendecker gehört«,
erklärte Andreas.
    »Das wundert mich sehr«, bekannte Heynrici und
legte die Hände zu einem Dach zusammen. »Ich habe Euch
schon bei Eurem letzten Besuch gesagt, dass ich mir Euren Freund
nicht als Zaubermeister vorstellen kann. Habt Ihr übrigens
herausgefunden,

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