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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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gab der junge Mann zurück.
    »Du bist also ihr Beschäler? Hat sie sich bei dir
betrunken? Hast du dir bei ihr geholt, was sie mir immer
verweigert hat?« Er ging auf den jungen Mann los.
    Elisabeth rieb sich den Hals. Das Schlucken schmerzte
höllisch. Sie sah, wie Heinrich mit erhobenen Fäusten
auf seinen Widersacher losging. »Heinrich, nicht! Er hat
nichts Unrechtes getan!«, krächzte sie.
    Heinrich sah sie kurz an. Der junge Mann nutzte diese
Gelegenheit und versetzte Heinrich einen Schlag gegen die
Schläfe. Wie eine gefällte Eiche ging er zu Boden. Der
junge Mann war mit zwei Schritten bei Elisabeth und nahm sie in
den Arm. Sie ließ es kurz geschehen, doch dann wurde ihr
die Nähe zu viel. Sie drückte sich von ihm ab.
»Ich danke Euch, Herr…«
    »Anton heiße ich. Anton Lautensack. Es ist mir
eine Ehre, Euch helfen zu dürfen. Was kann ich für Euch
tun?«
    »Bringt mich fort von hier.«
    Anton geleitete sie aus dem Zimmer. Sie stützte sich auf
ihn. Er reichte Elisabeth ein linnenes Taschentuch, mit dem sie
sich das Blut von Nase und Kinn tupfte. »Welch ein rohes
Untier«, ereiferte sich Anton. »Ich habe ihn noch nie
gemocht. Es ist mir ein Rätsel, wie er an eine so
wundervolle Frau wie Euch gekommen ist.« Er lächelte
sie unbeholfen an und war so rot wie eine Burgundertraube nach
dem letzten Sonnentag im Herbst.
    Elisabeth lächelte. Er war so ritterlich. Und er war ihr
Retter. Sie verneigte sich im Gehen leicht vor ihm. »Ich
danke Euch für Eure freundlichen Worte. Doch nun sollten wir
auf dem schnellsten Weg von hier verschwinden. Ihr werdet Euch
mit Eurer heldenhaften Tat sicherlich keine Freunde in diesem
Haus gemacht haben.«
    »Wohin darf ich Euch führen?«, fragte Anton
mit aufrichtiger Sorge in der Stimme. »Ich habe hier im
Stalhof ein kleines Zimmer, aber es wäre nicht
schicklich…«
    »Bringt mich zu Anne Palmer. Ich zeige Euch den Weg
dorthin.«
    »Ich begleite Euch überall hin, wenn Ihr
wollt.«
    Als sie auf der Straße standen, sah Elisabeth ihren
Retter von der Seite an. Ein plötzlicher Schatten legte sich
über die Häuser, die Sonne war hinter einer Wolke
verschwunden.
    »Meint Ihr das ernst?«, fragte sie. »Es
könnte eine weite, gefährliche Reise werden.«

 
SECHZEHN
     
     
    Es dauerte eine ganze Woche, bis Andreas sich erneut auf den
Weg nach Melaten machen konnte. Denn Pfarrer Hülshout
beäugte ihn argwöhnisch und achtete genau darauf, dass
er alle Messen pünktlich las sowie seinen geistlichen
Kindern die Beichte abnahm. Er musste alle Trauungen und
Beerdigungen vornehmen und Hülshout, der wieder einmal wegen
des neuen Altarbildes unterwegs war, beim Domkapitel vertreten.
Außerdem zog ein zweiter Familiaris in das Pfarrhaus ein,
der noch weniger von Latein und Theologie verstand als der erste.
Jedes Mal, wenn sich Andreas aus dem Haus zu stehlen versuchte,
kam etwas dazwischen. Es war wie verhext.
     
    Immer wieder blätterte er nach Einbruch der Dunkelheit in
dem Zauberbuch, immer wieder las er die Zeilen, die sich auf
Melaten bezogen. Ob Heynrici sie geschrieben hatte? Es gab auf
Melaten noch andere Männer, die in Frage kamen – der
dortige Geistliche, weltliche Helfer, vielleicht sogar ein
durchreisender Arzt, der an diesem Ort seine unheiligen Versuche
angestellt haben mochte.
    Eines Abends, beim Schein einer Kerze, hatte sich Andreas das
Buch wieder vorgenommen. Er glaubte weniger denn je, dass Ludwig
es besessen hatte. Bestimmt war es ihm untergeschoben worden
– von seiner Frau. Wer sonst hätte die Gelegenheit
dazu gehabt? Warum also sollte er noch einmal nach Melaten
hinausreiten? Es wäre besser, wenn er sofort zu Barbara
Leyendecker ging. Andreas legte das Buch aufs Bett, erhob sich
und ging in der kleinen Kammer auf und ab. Draußen war von
der Welt nichts mehr zu sehen; nur Teile seines Zimmers
spiegelten sich in den Butzen des Fensters. Er sah sich, wie er
ruhelos umherlief – ein bleicher Schatten seiner selbst.
Überall sonst Dunkelheit, wie ein Gefängnis. Das
Dunkle. Der dunkle Feind. Er warf einen Blick auf das »De
Potestate«. Kurz überlegte er, ob er mit Pfarrer
Hülshout über dieses Buch sprechen sollte, doch dann
verwarf er den Gedanken wieder. Hülshout hatte große
Angst vor dem Reich des Bösen und würde ein solches
Buch unter seinem Dach nicht dulden. Andreas empfand ebenfalls
Abscheu davor, doch vielleicht konnte es ihm den Weg zu Ludwigs
Mörder ebnen.

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