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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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was Ludwig bei seinem Aufenthalt in London
erfahren hat? Das scheint mir sehr viel wichtiger zu
sein.«
    »Seine Schwester ist nach London gefahren, um genau das
herauszufinden«, meinte Andreas und sah den alten Mann
neugierig an. »Um was könnte es sich dabei
handeln?«
    »Er scheint etwas belauscht zu haben«, sagte
Heynrici. »Aber das habe ich Euch ja schon damals gesagt.
Und es war sicherlich keine Zusammenkunft von
Teufelsbündlern.«
    Andreas dachte daran, dass Elisabeth nun mitten in der
Höhle des Löwen war. Wenn es stimmte, was Heynrici
mutmaßte, befand sie sich möglicherweise in Gefahr.
Ihm wurde ganz anders zumute. Aber vielleicht hatte Heynrici
Unrecht. Man musste jeder Spur nachgehen. Andreas lenkte das
Gespräch wieder auf die magische Handschrift. »Ich
finde dieses Buch bemerkenswert«, sagte er und deutete auf
die kleine Handschrift in Heynricis Händen.
    »Das ist es auch«, meinte der alte Mann. »Es
handelt sich um eines der lächerlichsten und dümmsten
Werke, das je über den Verkehr mit der Unterwelt geschrieben
wurde.«
    »Ihr kennt es?«, fragte Andreas und bemühte
sich, neugierig zu klingen.
    »Ich kenne viele dieser Pamphlete«, antwortete
Heynrici ausweichend und sah herunter auf den kleinen Band in
seinem Schoß. Andreas schaute auf die vielen Bücher in
dem kleinen Raum, der ihm plötzlich sehr eng und stickig
vorkam. Der weise Mann bemerkte den Blick des Geistlichen und
sagte lächelnd: »Nein, hier stehen nur
gottesfürchtige Werke. Ich gebe zu, dass ich einmal tiefe
Studien auf allen Gebieten des Wissens getrieben habe. Aber
alles, was ich fand, waren leere Worte. Nur Jesus hat Worte des
ewigen Lebens.« Er faltete die Hände und schaute zur
Decke. In diesem Moment sah er aus wie einer der Heiligen auf den
vielen wunderbaren Bildern, die Andreas in Bologna und bei seiner
kleinen Reise von dort aus nach Florenz gesehen hatte. Trotzdem
gefielen ihm die Worte des alten Mannes nicht.
    »Sicherlich habt Ihr Recht, aber ist es nicht
gotteslästerlich, sich mit dem Teufel abzugeben, auch wenn
man ihn schließlich verwirft?«
    »Ja, das ist es«, sagte der alte Mann langsam und
nachdenklich. »Das ist einer der Gründe, warum ich
hier bin. Hier kann ich büßen für meinen eitlen
Wissensdurst. Doch nicht nur die Niederungen der Hölle haben
mich hergeführt, sondern auch die Niederungen der Politik.
Glaubt mir, es gibt nichts Schlimmeres als diese Schlangengruben,
die man Rat nennt. Ich habe lange genug im Kölner Rat
gesessen, um zu wissen, was ich sage. Und ich habe dort viel
Schuld auf mich geladen.«
    »Wie Ludwig?«, fragte Andreas nach.
    »Wie Ludwig. Niemand, der sich mit der Regierungskunst
abgibt, bleibt ohne Schuld.«
    »Wollt Ihr damit auf Ludwigs Rolle bei der Verhansung
Kölns anspielen?«, fragte Andreas.
    »Wie ich Euch damals schon sagte, glaube ich nicht, dass
dies eine Rolle bei dem unseligen Ableben Eures Freundes gespielt
hat, aber je länger ich darüber nachdenke, desto
unsicherer werde ich. Ludwig Leyendecker hat all jene Kaufleute
gegen sich aufgebracht, die sich der Hanse beugen wollten, und er
hat unsere Fraktion mit Bestechungen und anderen
fragwürdigen Mitteln zusammengeschmiedet. Ich frage mich, ob
er in London nicht zufällig Zeuge einer Verschwörung
gegen ihn geworden ist. In der Sache hatte Ludwig jedoch Recht.
Köln mit seinen alten Handelsbeziehungen zu England hatte
nur die Möglichkeit, für den Fortbestand der
Geschäfte mit der Insel zu stimmen. Ansonsten hätten
wir uns zu sehr von den wetterwendischen Lübschen und ihren
Spießgesellen abhängig gemacht. Ich fürchte, mit
unserer harten Haltung haben wir einigen Kaufleuten das Leben
sehr schwer gemacht. Ich selbst leide unter der Verantwortung,
die ich mir damit aufgebürdet habe. Vielleicht ist es Ludwig
auch zu viel geworden. Vielleicht hat er tatsächlich
Selbstmord begangen, auch wenn ich es mir eigentlich nicht
vorstellen kann, denn wie Ihr wisst, war er ein
gottesfürchtiger Mann.«
    Andreas schwirrte der Kopf. Er hatte gehofft, hier bei
Heynrici ein wenig Klarheit in seine eigenen Gedanken zu bringen,
doch stattdessen wurde er immer verwirrter. Die Verhansung, die
Konkurrenten Ludwigs, von denen er zum Beispiel Dulcken in den
Ruin getrieben hatte, eine mögliche Verschwörung seiner
Gegner oder vielleicht doch Selbstmord, weil er die Schuld nicht
mehr ertragen konnte. Schuld? Politik? Wäre er doch nicht
hergekommen!

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