Tod im Weinkontor
lachen oder ihm
zürnen sollte.
»Nun, es geht um ein Buch, eine Handschrift. Ab mit dir,
führ mich zu deinem Herrn«, sagte er schließlich
recht munter und lächelte den Jungen an. »Es sei denn,
du willst dein Seelenheil aufs Spiel setzen.«
Der Junge lächelte zurück; er schien Andreas’
Drohung nicht ernst zu nehmen. Aber er öffnete das Portal
und ließ den Geistlichen herein. Der Junge führte ihn
an der großen Presse vorbei, aus dem soeben ein frisch
bedruckter Bogen gelöst und auf einen Stapel gelegt wurde.
Andreas fühlte sich wie ein Zuschauer bei der Erschaffung
einer neuen Welt. Noch vor wenigen Jahren wäre es undenkbar
gewesen, ein Buch so schnell zu vervielfältigen.
Der junge Geselle führte ihn an der Maschine vorbei zu
einer Ecke des Raumes, in der ein hoch aufgeschossener Mann in
einem schwarzfleckigen, zerschlissenen Wams und einer Hose, die
in keinem besseren Zustand war, an einem großen Brett stand
und Lettern aus einem Setzkasten vor ihm aneinander legte. Er
drehte sich um; sein Blick war feurig und zornig. »Habe ich
dir nicht gesagt, dass ich nicht gestört werden will –
von niemandem?«, brauste er auf. Er hatte einen dichten
Bart, Lachfältchen um die Augen, die von einem
wässerigen Blau waren, und eine sehr ausladende, spitze
Nase. Beinahe ein Spiegelbild seines Hauses, dachte Andreas
belustigt. Er stellte sich dem Drucker kurz vor und bat ihn,
irgendwo ungestört mit ihm zu reden.
Zell wischte sich die Hände an einem vor Schmutz und
Druckerschwärze starrenden Lappen ab und bedeutete seinem
ungeladenen Gast mit einer knappen Handbewegung, ihm zu folgen.
Durch eine kleine Tür führte er ihn zu einem
Treppenhaus und hinauf in die gute Stube des Hauses, in dem es
aussah, als sei hier jahrelang weder aufgeräumt noch
ausgefegt worden. Dabei wusste Andreas genau, dass Zell erst
kürzlich hier eingezogen war. Zell scheuchte eine Katze von
einem der abgeschabten Scherenstühle und bedeutete Andreas,
sich zu setzen. Dieser tat es widerwillig, nachdem er zuvor mit
der Hand den gröbsten Unrat fortgewischt hatte. Zell blieb
vor ihm stehen.
»Was verschafft mir die Ehre Eures Besuchs?«
»Ich bewundere die neue Kunst«, meinte Andreas
ausweichend.
»Da seid Ihr leider einer der wenigen aus Eurer
Zunft«, erwiderte Zell. »Darf ich Euch etwas zu
trinken anbieten?«
Andreas nickte, und Zell verließ kurz das Zimmer. Der
junge Geistliche sah sich rasch um. Schmucklos und unordentlich
war es hier – und ärmlich. Das Haus musste sehr teuer
gewesen sein, doch auf seine Einrichtung schien Zell keinen Wert
zu legen. Dafür aber lagen Bücher herum – in
losen Bögen und gebunden. Kostbarkeiten.
Zell kam mit einer dickbauchigen Hansekanne zurück, in
der roter Wein wie Blut schwappte. Andreas fühlte sich an
seinen Traum erinnert. Zell goss ihm einen Pokal ein, und Andreas
hielt die reiche Flüssigkeit gegen das Licht. Wie Blut.
»Ein ausgezeichneter Burgunder mit einer Prise Zimt, ein
wenig Wacholder und Honig. Kostet nur, er wird Euch
munden.«
Andreas nahm einen Schluck. In der Tat, ein herrlicher
Geschmack. Würzig, aromatisch, süß und
belebend.
»Sonst habe ich für Leute wie Euch eher den sooren
Hunck aus dem Weinberg meines Freundes Petrus, neben Sankt
Gereon. Ein Löffel Honig auf einen Schluck von diesem Wein,
und schon kann man ihn trinken, wie ich immer sage. Aber ich
glaube, ein Bücherliebhaber hat auch beim Wein einen ganz
besonderen Geschmack und ein Anrecht auf das Beste. Aus welcher
Pfarrei kommt Ihr?«
»Sankt Kolumba, ich bin dort Kaplan.«
»Unter Pfarrer Hülshout, nicht wahr? Ich habe
gehört, dass er sich vor kurzem auch ein Buch gekauft hat
– bei meinem geschätzten Freund Kölhoff.
Vielleicht besteht ja doch noch Hoffnung auf die Verbreitung des
Wissens.«
»Was mich angeht, so bin ich schon seit langem ein
Anhänger der neuen Kunst«, beeilte sich Andreas zu
sagen und nahm noch einen Schluck.
»Das freut mich zu hören«, meinte Zell
kühl und sah Andreas von oben herab neugierig an. »Was
führt Euch zu mir? Die Liebe zu den Büchern?«
»Ja – in gewisser Weise.« Andreas
stürzte den Wein hinunter und hielt Zell den Pokal entgegen.
»Ein ausgezeichneter Tropfen«, sagte er, durch den
Roten mutiger geworden. »Woher habt Ihr ihn
bezogen?«
Zell hob die Brauen und goss nach. »Vom
Leyendecker’schen Kontor. Dort erhält man die besten
Weine der Stadt. Den größten Umsatz
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