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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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nicht mehr viel
wert«, meinte Dulcken leichthin und richtete sich zu seiner
vollen, nicht sonderlich beeindruckenden Größe auf.
»Zauberei ist halt geschäftsschädigend. Es ist
doch nicht meine Schuld, dass sich Leyendecker mit dem Teufel
eingelassen hat. Es wird ein hartes Stück Arbeit sein, den
guten Ruf des Hauses wieder aufzubauen, aber mit Hilfe meines
englischen Freundes werde ich es schaffen, nicht wahr,
Edwyn?«
    Der Fremde nickte und ließ Andreas nicht aus den
Augen.
    »Bemerkenswert«, sagte Andreas und rieb sich das
Kinn. »Das wäre ein gutes Motiv für einen Mord.
Man bringt den Toten in Verruf und erwirbt sein Gut zu einem
Spottpreis.« Er hatte schneller gesprochen als gedacht.
Andreas hatte den Mund noch nicht geschlossen, als er schon
bemerkte, dass er einen schwerwiegenden Fehler begangen hatte.
Der Rothaarige sprang auf ihn zu.
    Andreas taumelte zurück. Zu spät. Der Engländer
hatte ihn am Gewand gepackt. Dulcken stand reglos dabei und
giftete: »Mach ihn fertig, den ekelhaften
Pfaffen!«
    »Hilfe!«, schrie Andreas. Doch niemand half ihm.
Kräftig aussehende Männer gingen vorbei oder machten
einen großen Bogen um die beiden Streithähne, doch sie
kamen nicht auf den Gedanken, dem Geistlichen beizustehen. Einer
zischte sogar: »Möge Gott dir helfen!« Im
gleichen Augenblick ertönte ein schrecklicher Donner aus dem
Himmel. Der Engländer fuhr zusammen, und Andreas gelang es,
sich aus seinem Griff zu winden. Sofort lief er los. Er achtete
nicht auf die Richtung, rempelte Männer und Frauen,
Handwerker und Adlige an, verschloss die Ohren vor ihren
Flüchen, stürzte von Straße zu Gasse, sah sich
bisweilen um, erkannte seine Verfolger, bemerkte, wie sie
aufholten. Regen setzte ein, Platzregen lief ihm durch die Haare
und in die Augen, trübte den Blick, die Häuser vor ihm
schwankten, die spitzen Dächer und hohen Kamine tanzten
einen Höllentanz, die unzähligen Heiligenfiguren wanden
sich und glänzten nass, die Gosse lief über. Andreas
patschte durch die Pfützen, spürte kaum, dass er nasse
Füße bekam. Stiche trieben sich in seine Seite, das
Atmen schmerzte. Er keuchte, ihm ging die Luft aus. In einer
kleinen Gasse blieb er stehen.
    Niemand. Er war allein. Kein Mensch, kein Tier war auf der
Straße zu sehen. Er sah sich um. Wo war er? Er konnte sich
nicht erinnern, diese Gasse je betreten zu haben. Die Häuser
waren ärmlich, bestanden ausnahmslos aus Fachwerk, der Boden
war schlammig, ungepflastert und voller Pfützen, in denen
Unrat und seltsam schillernde Flüssigkeiten schwammen.
Nirgendwo war ein Glasfenster zu sehen; die Wände waren mit
grobem Lehm ausgeschmiert, die Balken vermodert und die
Türen wie zahnlose Münder, die in jenseitiges Dunkel
führten. Der Regen schien jede Farbe ausgewaschen zu haben
und legte ein graues Tuch über alle Gebäude. Kein
Kirchturm, kein Patrizierhaus, kein Brunnen, kein steinerner
Heiliger war weit und breit zu sehen. Und diese Stille!
    Nachdem Andreas ein wenig Luft geschnappt hatte, ging er
vorsichtig einige Schritte weiter. Das Platschen seiner
Füße durch die Pfützen war das einzige
Geräusch. Allmählich ließen die Seitenstiche
nach, und er bekam wieder Luft. Da hörte er hinter sich
aufgeregtes, unregelmäßiges Trappeln. Er drehte sich
um.
    Dulcken und der Engländer!
    Andreas lief los. Und musste feststellen, dass er sich in
einer Sackgasse befand. Sie wurde von einem offensichtlich
unbewohnten, verwahrlosten Haus versperrt, dessen Tür
ungeheuer massiv war. Andreas zerrte daran, aber sie gab nicht
nach. Er wirbelte herum.
    Sie waren nur noch wenige Schritte von ihm entfernt.
    »Unser Pfäfflein kann schnell rennen«,
höhnte Dulcken. »Gott scheint ihm Flügel
verliehen zu haben. Edwyn, ich glaube, es ist der rechte Ort und
Zeitpunkt, um unseren Naseweis zu seinem Herrn zu schicken. Er
sollte unsere Pläne nicht durchkreuzen. Pech für ihn,
dass er seine Nase in alles hineinstecken muss.«
    Mit zwei Schritten war der Engländer bei Andreas. Der
junge Geistliche wollte seine Haut so teuer wie möglich
verkaufen, aber gegen den mächtigen Rotschopf hatte er das
Nachsehen. Seine Welt versank in Schmerzen. Sterne explodierten
vor seinen Augen, Blitze durchzuckten Körper, Arme und
Beine. Seine Schreie wurden von Blut erstickt.
    Das Letzte, was er hörte, war das laute Rufen eines
Mannes. Dann wurde alles in seiner Umgebung schwarz. Die Welt
hatte sich

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