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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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dachte sie an die seltsame Zusammenkunft
im Waterstone Inn, von der Anne berichtet hatte. Lag dort der
Schlüssel zur Lösung des Rätsels? Oder hatte Edwyn
Palmer ihren Bruder auf dem Gewissen? Oder gab es eine ganz
andere Erklärung für seinen Tod? Elisabeth kam sich wie
in einem Labyrinth gefangen vor. Und irgendwo in der Mitte
lauerte das Unheil.
     
    Noch zwei sehr laute Nächte verbrachten sie in der
verrufenen Herberge, ohne dass ihnen jedoch ein Leid geschehen
wäre. In der letzten Nacht wachte Elisabeth einmal aus ihrem
unruhigen, traumschweren Schlummer auf und bemerkte, dass Anne
nicht mehr neben ihr lag. Sie tastete in der dunklen, vom
Mondschein schwach erhellten Kammer umher und stellte fest, dass
das Bett dort, wo Anne geschlafen hatte, noch warm war. Aber
Elisabeth war so müde, dass sie gleich wieder
einschlief.
    Am Morgen war Anne wieder da. Als sie aufstand und sich
umkleidete, tat sie das mit fließenden, trägen und
zufriedenen Bewegungen. Sie summte sogar ein Lied.
    Man traf sich vor den Toren der Stadt auf einer kleinen Wiese.
Anton und die beiden Pilgerinnen waren unter den Ersten, die
eintrafen. Wagen, schwer beladen mit Kisten und Ballen, rumpelten
heran, Pferde schnaubten, Kriegsknechte mit Lanzen, Schwertern
und glänzenden Brustpanzern stellten sich auf; ihre
Reittiere tänzelten nervös. Kaufherren mit wertvollen
Mänteln und kostbaren Kappen liefen zwischen den Wagen
umher, prüften noch einmal die Ladung und ihre
Befestigungen, und schließlich ging es los.
    Elisabeth und Anne fuhren in einem geschlossenen Wagen mit
einem Weinhändler aus Köln, der seine Ware gut verkauft
hatte und nichts mit in seine Heimatstadt zurückbrachte.
Anton fuhr auf dem Bock mit, denn das Wetter war wunderbar; es
ging ein laues Frühlingslüftchen, die Schwalben
schwirrten bereits um die Stadtmauern, und Bussarde und Amseln
schossen über die Felder und Weiden, auf denen Kühe und
Schafe träge ihr unverständliches Leben lebten.
    Elisabeth betrachtete den Weinhändler eine Weile, bevor
sie etwas sagte. Er war ihr unbekannt, aber schließlich
kannte sie sich in diesem Geschäft kaum aus. Ob er Ludwig
gekannt hatte? Sicherlich waren sie sich bei den
Zusammenkünften der Gaffel Himmelreich schon begegnet.
Schließlich sprach sie ihn an. »Waren die
Geschäfte gut, mein Herr?«
    Der Kaufmann blinzelte ihr freundlich zu und zog die Kappe vor
ihr. »Hans Gartzem, meine ehrenwerte Dame«, stellte
er sich vor. »Ja, ich kann nicht klagen. Seit der
Verhansung Kölns ist alles sehr schwierig geworden, und man
muss sich neue Absatzmärkte schaffen. Früher habe ich
den größten Teil des Weines nach Norden exportiert,
aber damit ist jetzt Schluss. Man lässt uns Kölnische
nicht einmal mehr in die Städte der Hanse, geschweige denn
lässt man uns dort Handel treiben.«
    »Es muss für viele von Euch sehr schwer sein, noch
den Unterhalt zum Leben zu verdienen«, meinte Elisabeth
vorsichtig. Der Wagen rumpelte so stark über eine
Unebenheit, dass die Insassen durcheinander gewirbelt wurden.
Elisabeth fiel dem Kaufmann auf den Schoß, was diesem
sichtliches Behagen bereitete, aber er nutzte die Lage nicht aus.
Sofort sprang Elisabeth mit hochrotem Kopf von ihm fort und
setzte sich wieder auf die Bank ihm gegenüber.
    Jakob Gartzem rückte sich die verschobene Kappe zurecht,
strich genießerisch an der langen, schillernden Pfauenfeder
entlang und sagte: »Ja, manchen hat es im wahrsten Sinne
das Genick gebrochen. Es kommt halt darauf an, ob man wendig
genug ist, um sich auf die neue Lage einzustellen. Ich zum
Beispiel habe meine alten Kontakte wieder aufgefrischt und kann
meinen Wein und meine Stoffe nun in den Niederlanden bis hinunter
nach Herzogenbosch absetzen. Aber anfangs war ich auch nicht
begeistert von der neuen Lage. Wenn ich Mitglied des Rates
gewesen wäre, hätte ich gegen die offene Konfrontation
mit der Hanse gestimmt. Ich finde es heute noch erstaunlich, dass
der Rat es gewagt hat, sich gegen die Fischköpfe zu stellen.
Zuerst sah es so aus, als würden die Ratsherren klein
beigeben.«
    Elisabeth hob die Brauen. Sie erinnerte sich an das, was
Heynrici gesagt hatte. Ludwig war eines der Ratsmitglieder
gewesen, die die Verhansung vorangetrieben hatten.
    »Aber das ist für Euch als Dame bestimmt sehr
langweilig«, fuhr Gartzem fort.
    »Ganz und gar nicht«, beeilte sich Elisabeth zu
versichern. »Wisst Ihr, welche Rolle Ludwig Leyendecker

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