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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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habe einen guten Freund, der ganz in der
Nähe wohnt. Und ich glaube, unser Aufzug ist gut dazu
geeignet, ihm einen Besuch abzustatten.«
    Sie führte ihre Freundin, die noch völlig neben sich
selbst zu stehen schien, durch die lärmenden Straßen
Kölns, bis sie hinter Sankt Kolumba standen. Elisabeth
klopfte an die Tür des Pastorats. Grete, die alte Magd,
öffnete.
    Sie erkannte Elisabeth zunächst nicht, sondern war
sichtlich erstaunt, zwei etwas verstaubt wirkende Pilgerinnen vor
ihrer Tür zu sehen. »Geliebte Schwestern in
Christo«, sagte sie mit ihrer alten, hohen und
salbungsvollen Stimme, »hier seid Ihr falsch. Bittet im
Klarissenkloster hinter dem Kornhaus um Aufnahme.« Sie
wollte die Tür bereits wieder schließen, als Elisabeth
rasch einen Fuß zwischen sie und den Rahmen stellte und
sagte: »Erkennt Ihr mich denn nicht? Ich bin Elisabeth
Leyendecker. Ich muss sofort Andreas Bergheim sprechen. Es ist
wichtig.«
    »Das ist unmöglich.« Tränen traten in
die Augen der alten Magd. »Bitte geht. Ihr habt meinem
guten Herrn nichts als Scherereien gebracht.« Sie
drückte sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Tür,
doch Elisabeth wich nicht zurück.
    »Was ist geschehen?«, fragte sie. »Wir sind
zwei gottesfürchtige Frauen. Warum wollt Ihr uns nicht zu
ihm lassen?«
    »Weil es nicht geht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil… weil…« Ihr versagte die
Stimme.
    Eine Welle der Angst ergriff Elisabeth. Was war mit Andreas
während ihrer Abwesenheit passiert? War ihm etwas
zugestoßen? »Warum nicht?«, wiederholte sie mit
einer gewissen Schärfe in der Stimme, die sogar Anne nicht
entging.
    Unter Schluchzen brachte Grete hervor: »Der geistliche
Herr ist auf grausame Weise überfallen worden.«
    »Ist er verletzt?«, fragte Elisabeth hastig. Sie
machte sich schreckliche Vorwürfe, Andreas in die ganze
Sache hineingezogen zu haben.
    »Schlimmer!«, jammerte Grete und wischte sich die
Tränen aus den Augen.
    Elisabeth spürte, wie ihr Hitze in den Kopf schoss.
»Rede endlich!«, herrschte sie die alte Magd an.
    Diese öffnete endlich die Tür und sagte leise.
»Kommt und seht selbst.« Sie führte die beiden
Frauen in den ersten Stock. Elisabeth schlug das Herz bis zum
Hals. Sie warf einen raschen Blick auf die verschlossene Tür
zum Wohnraum, in dem sie Andreas die Nachricht von Ludwigs Tod
mitgeteilt hatte. Ihr zweiter Weg in das Innere dieses Hauses
führte sie offenbar nicht in die Stube, sondern in das
Schlafzimmer des jungen Geistlichen. Das verhieß nichts
Gutes. Ihr Mund wurde trocken, und Schweißperlen traten ihr
auf die Stirn. Sie wischte sie sich unter der ausladenden
Pilgerhaube ab und schlug dabei mit dem Stock versehentlich gegen
die Holztäfelung des Flurs.
    »Wollt Ihr wohl Acht geben!«, zischte Grete.
Elisabeth fuhr zusammen.
    Die alte Magd öffnete tatsächlich die Tür zu
Andreas’ Schlafkammer. Elisabeth war entsetzt, als sie ihn
ausgestreckt auf dem Bett liegen sah. Und erleichtert.
    Er lebte. Noch. Mit zwei Schritten war sie bei ihm und kniete
sich neben ihn. Sein Kopf war grün und blau, das rechte Auge
zugeschwollen, die Lippe aufgeplatzt, und an der Schläfe
klaffte eine Wunde, die sich zum Teil wieder geschlossen hatte.
Er stöhnte. Richtete das unverletzte Auge auf Elisabeth. Ein
seltsamer Glanz trat hinein. Bildete sie sich das nur ein, oder
freute er sich, sie zu sehen?
    »Ärmster, was ist geschehen?«, flüsterte
sie ihm ins Ohr.
    Das Sprechen fiel ihm schwer, aber langsam und stockend
berichtete er von seinen eigenen Nachforschungen bis hin zu der
Begegnung mit Dulcken und dem Engländer. Als Elisabeth
hörte, dass ein Engländer ihn zusammengeschlagen hatte,
fragte sie ihn, ob er den Namen des Schurken wisse.
    »Edwyn«, krächzte Andreas.
    Anne stöhnte. »Ich habe es gewusst«, sagte
sie mit einer Stimme voller Hass. Erst jetzt schien Andreas die
zweite Frau zu bemerken. Er sah Elisabeth fragend an. Mit knappen
Worten gab sie ihren Bericht von der Abreise nach London bis zu
der traurigen und gefahrvollen Rückfahrt. Als sie geendet
hatte, meinte die Magd: »Nun ist es genug. Seht Ihr nicht,
wie der junge Herr leidet? Bitte geht jetzt. Ich habe Euch
gesagt, wo Ihr eine Unterkunft finden werdet. Kommt morgen
wieder, wenn Ihr Euch nach dem Befinden des ehrwürdigen
Herrn erkundigen wollt.«
    »Auf keinen Fall«, beharrte Elisabeth.
»Bringt uns hier unter.«
    Hinter ihr donnerte eine Stimme: »Nein!« Elisabeth

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