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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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aufgelöst.

 
DREIUNDZWANZIG
     
     
    Es war eine traurige und stille Reise für den
Kaufmannszug. Elisabeth versuchte immer wieder herauszufinden, ob
sie noch verfolgt wurden, aber sie bemerkte nichts. Anne hockte
ihr gegenüber in dem Wagen, in dem sie gemeinsam mit dem
Kaufmann Jakob Gartzem gesessen hatten. Die Kutscher hatten das
Gefährt wieder auf die Räder gestellt und
notdürftig hergerichtet. Immer, wenn Elisabeth das Wort an
ihre neue Freundin richtete, wandte diese den Kopf ab und starrte
die Holzbohlen der Wagenwand an. Irgendwann gab Elisabeth auf und
hüllte sich ebenfalls in Schweigen. Sie dachte über
ihre Reise nach. Was hatte sie gebracht? Einen Hinweis auf Annes
Mann als möglichen Mörder Ludwigs und einen Hinweis auf
eine seltsame Verschwörung, über deren Ziel und Zweck
nichts in Erfahrung zu bringen war. Und eine Vergewaltigung sowie
die Flucht vor ihrem Mann, der offenbar so erzürnt
darüber war, dass er gedungene Mörder hinter ihr
hergeschickt hatte. Ferner für Anne eine kurze neue Liebe
und deren jähes Ende. Beinahe sehnte sie sich nach ihrem
ruhigen, wenn auch unbefriedigenden Leben zurück, das sie
nun unwiderruflich verloren hatte. Der Tod ihres Bruders war auch
für sie zum Verhängnis geworden.
    Sie hatte ein schlechtes Gewissen. Wie sollte sie Andreas
Bergheim unter die Augen treten? Sie hatte sich vor ihrer Abreise
nicht einmal von ihm verabschiedet, und sie brachte aus London
nichts als wilde Mutmaßungen mit.
    Endlich sahen sie in der Ferne die Türme der Stadt, die
wie ein feines Spitzengewebe vom blauen Himmel herabzuhängen
schienen.
    Mit gemischten Gefühlen hielten sie beim Eigelsteintor.
Die Stadtwachen durchsuchten die Wagen und überprüften
die Waren. Die beiden Pilgerinnen ließen sie unbehelligt.
Dann rollten die Gefährte durch die Torburg. Elisabeth
konnte Annes Schweigen nicht mehr ertragen und hatte sich mit auf
den Kutschbock gesetzt. Nun fuhren sie den Eigelstein entlang.
Auf der rechten Seite lagen Gärten und kleine Weizenfelder;
Gehöfte grenzten unmittelbar an die Straße, und kurz
vor der Abzweigung der Weidengasse lag ein kleiner Weingarten,
dessen Ernte eine recht gute Grundlage für Würzweine
war oder zu Aqua Sabaudia, dem im Volksmund so genannten Schabau,
gebrannt wurde. Der Anblick der Reben mit den winzigen Trauben,
die aus der Ferne wie kleine Tintenflecken aussahen, erinnerte
Elisabeth daran, wie ihr Bruder immer spöttisch auf diesen
»sooren hungk« herabgeschaut hatte, der auch in
anderen Gegenden des Stadtgebietes angebaut wurde, zum Beispiel
auf dem Gereonsdriesch, im Schatten der mächtigen Kirche
Sankt Gereon nahe der nordwestlichen Stadtmauer. Wie stolz war er
immer auf seine besten Lagen des Weins von Rhein, Mosel und aus
der Pfalz gewesen. Trotzdem hatte auch Ludwig bei Sankt Severin
einen dieser Weingärten besessen, dessen Trauben
hauptsächlich zur Herstellung von Branntwein dienten –
ein kleiner, aber angenehmer Nebenverdienst, wie er immer
lächelnd gesagt hatte, wenn er wieder einmal genüsslich
einen kleinen Becher mit Branntwein in der Hand gehalten
hatte.
    Bald kamen das Langschiff und der Kran des Domes in Sicht.
Elisabeth sank das Herz. Wie sollte ihr weiteres Leben aussehen?
Zu ihrem Mann konnte sie nicht zurück. War er vielleicht
schon wieder in Köln? Wenn er ein Schiff vom Stalhof nach
Antwerpen und dort ein schnelles Pferd genommen hatte, konnte er
bereits zurückgekehrt sein. Auf keinen Fall wollte Elisabeth
es wagen, in die Rheingasse zu gehen.
    Je näher sie dem Dom kamen, desto herrschaftlicher wurden
die Häuser. Hier gab es keine bäuerlichen Anwesen mehr,
und auch die Fachwerkbauten waren nicht länger in der
Überzahl. Stattliche Steinhäuser mit Rundbögen und
Glas in den Fenstern beherrschten das Straßenbild.
Während draußen auf dem Eigelstein noch ein paar
neugierige Kinder hinter dem Kaufmannszug hergelaufen waren,
wurde er hier zwischen den großen Gebäuden und im
Gewühl des Verkehrs nicht mehr beachtet. Elisabeth bat den
Kutscher, kurz anzuhalten. Sie sprang vom Bock, ergriff ihren
Pilgerstab und ihr Bündel und riss die Wagentür auf.
»Wir sind da, Schwester Anne«, sagte sie. Anne stieg
mit abwesendem Blick aus und stützte sich schwer auf ihren
Stock, während sie zusahen, wie sich der Zug wieder in
Bewegung setzte. Niemand entbot ihnen einen
Abschiedsgruß.
    »Ich weiß, wohin wir jetzt gehen«, meinte
Elisabeth. »Ich

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