Tod in Blau
schwarzen Auto war.«
Leo nickte und legte Wegners
Zeichnung auf den Tisch. Paul wollte sofort danach greifen, besann sich
aber und zog die Hand zurück. Unsicher schaute er von einem Beamten
zum anderen. »Ich… auf die sollte ich aufpassen. Die darfst
du nicht - ich hab's ihm versprochen.« Er verstummte, als wäre
ihm gerade erst eingefallen, dass der Maler nicht mehr lebte.
»Wir haben danach
gesucht, weil wir sie brauchen, um den Mörder zu finden. Verstehst du
das?«
»Nicht so richtig.«
»Ich erkläre es
dir später. Jetzt musst du uns erst mal erzählen, warum der
Maler dir die Zeichnung gegeben hat.«
Paul krauste die Stirn, als
er in seiner Erinnerung wühlte. Wie war das gewesen an dem Tag, als
alles durcheinander war und das Bild kaputt? Es brach aus ihm hervor wie
eine Flut, ungeordnet und ungeheuer wohltuend. »Ich … alles
war herumgeworfen … sein Bild war kaputt, es gefiel ihm nicht, hat
er gesagt, und dann hat er mir das da gegeben, ich soll drauf aufpassen.«
Leo hob die Hand. »Ganz
langsam. Du warst mal bei ihm, und alles war durcheinander?«
Der Junge nickte.
»Und ein Bild war
kaputt? Was für eins?«
»Ein buntes. Mit den
nassen Farben.« Aquarell oder Öl, dachte Leo. »Lauter Löcher
waren drin. Und die Pinsel und alles lag auf dem Boden.«
Alle im Raum spürten,
dass sie soeben etwas Bedeutendes erfahren hatten. Leo fasste zusammen:
»Du bist ins Atelier gekommen, der Raum war durcheinander, ein Bild
war kaputt. Wie sah es aus?«
»Mit lauter Schnitten
drin, nur noch Fetzen«, sagte der Junge leise. »Er hat gesagt,
er war es selbst, aber so was hat er früher nie gemacht.«
Leo beugte sich vor. »Und
dann hat er dir die Zeichnung gegeben und gesagt, du sollst gut auf sie
aufpassen?«
»Ja.«
»Und du hast sie im
Kaninchenstall versteckt und keinem davon erzählt?«
Heftiges Nicken. »Es
war doch ein Geheimnis.«
Leo wollte schon die
Befragung beenden, als der Junge noch einmal herzhaft in die Zimtschnecke
biss und mit vollem Mund kauend sagte: »Dann wollte ich sie zurückgeben.«
»Warum?«
»Weil ich …
irgendwie machte sie mir Angst. Es war so ein Gefühl. Hier.«
Paul deutete auf seinen Bauch. Der Instinkt hatte ihn nicht getrogen,
dachte Leo.
»Warum lag sie denn
noch im Stall, wenn du sie ihm zurückgeben wolltest?«
»Ich bin zu ihm
gelaufen, und dann hat er da gelegen, und alles war schwarz. Und er war
tot.«
*
Leo hatte Paul in ein
leerstehendes Büro bringen und ein Feldbett holen lassen, damit er
sich ausruhen konnte. Dann setzte er sich zu Walther, Stahnke und Berns
ins Büro. Die erwartungsvolle Spannung war deutlich zu spüren,
wie immer, wenn ein Fall kurz vor der Aufklärung stand. »Meine
Herren, was sagen Sie dazu?«
»Die Sache ist doch
eindeutig«, meldete sich Berns zu Wort. »Vom Hofe ist eifersüchtig
und spioniert der Pabst nach. Entdeckt, dass Wegner ihn bei einer
Vergewaltigung malt. Zerstört das Bild als Warnung und bekommt
irgendwie mit, dass Wegner dem Jungen die Zeichnung anvertraut. Paul sagt
doch, ein Mann habe damals vor dem Atelier gestanden. Wegner nimmt das Gemälde
vom Elternhaus, das ihm so viel bedeutet, mit nach Hause, um es zu schützen.
Und vom Hofe begreift, dass Wegner eine Bedrohung für ihn darstellt,
solange er lebt, und bringt ihn um.«
Walther nickte. »Klingt
schlüssig. Aber woher wusste Wegner von der Vergewaltigung?«
Leo schaute aus dem Fenster,
vor dem dünne Schneeflocken herabrieselten. Am Sonntag war schon der
1. Advent, dachte er ein wenig zusammenhanglos. Dann drehte er sich
unvermittelt um. »Robert, Frau Wegner hat kein Telefon, oder?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Dann musst du
hinfahren. Nimm das Tagebuch mit, das wir damals in Wegners Sachen
gefunden haben, und lass es dir von seiner Frau vorlesen, sie müsste
seine Handschrift entziffern können. Schreib mit, was wichtig ist.
Mach schnell.«
»Verstanden.«
Schon hatte Walther das Büro verlassen.
*
Clara Bleibtreu saß in
ihrer Leihbücherei und schaute trübsinnig aus dem Fenster.
Kinder hüpften umher, legten den Kopf in den Nacken und öffneten
den Mund, um die dichter fallenden Schneeflocken aufzufangen. Sie zog das
Schultertuch enger um sich. Eigentlich war der Raum ganz gut geheizt, aber
ihr wurde einfach nicht richtig warm.
Sie kochte Tee und setzte
sich mit der dampfenden Tasse hinter die Theke. Bei
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