Tod in Blau
fahren, um sich einen neuen Mantel zu kaufen. In dem alten konnte
sie nicht mehr unter die Leute gehen, und sie hatte ein entzückendes
Modell mit Kunstpelzkragen gesehen, das gar nicht so teuer war. Zwei
Auftritte bei privaten Soireen, da konnte sie sich auch mal etwas gönnen.
Auf dem Weg zur Elektrischen
spürte sie plötzlich eine Hand an ihrem Arm. Sie drehte sich um
und sah sich Richard vom Hofe gegenüber. Thea wollte ihn begrüßen,
doch sein Blick ließ sie verstummen. Er zerrte sie in eine
menschenleere Hofeinfahrt und drückte sie gegen die kalte, feuchte
Wand.
»Ich hatte Besuch. Von
der Polizei.«
Sie hielt seinem Blick stand.
Draußen auf der Straße waren viele Menschen, sie konnte
notfalls um Hilfe rufen. »Ich auch, wegen Arnold. Sie wollen alles Mögliche
wissen. Fragten auch nach dir.«
Sie spürte seinen warmen
Atem im Gesicht, so nah war er ihr gekommen. Aber nicht, um sie zu küssen.
»Das interessiert mich einen feuchten Dreck. Es ist was anderes, ob
die bei irgendeiner Nackttänzerin auftauchten oder bei mir, das
schadet meinem Ruf.«
Thea sah ihn an, als wäre
ihr plötzlich etwas klar geworden. »Ist das alles, was ich für
dich war? Irgendeine Nackttänzerin?« Sie versuchte, sich seinem
Griff zu entwinden. »Wenn du ein gutes Gewissen hast, kannst du doch
offen mit ihnen sprechen.«
Vom Hofe umklammerte ihre
Arme mit eisernem Griff. »Wie kommst du dazu, ihnen zu erzählen,
ich wäre auf einer Zeichnung dieses Schmierfinken zu sehen?« Er
stieß sie heftig gegen die Wand.
Thea bekam allmählich
Angst und spähte zum Bürgersteig hinüber. Alle Passanten
hatten es eilig, niemand schaute zu ihnen herein. »Das habe ich nie
gesagt. Sie wollten nur wissen, ob ich die Zeichnung aus dem Atelier
kannte, und da habe ich erzählt, dass Arnold öfter irgendwelche
Leute als Modell nahm, die er gar nicht persönlich kannte. Ich habe
mir nichts dabei gedacht. Oder bist du -« Sie schlug entsetzt die
Hand vor den Mund.
Plötzlich kam ein
Pferdefuhrwerk klappernd in die Hofeinfahrt eingebogen. Thea nutzte die
kurze Ablenkung, um sich loszureißen und draußen in der Menge
zu verschwinden.
*
Der Junge saß, eine
karierte Wolldecke um die Schultern, in Leos Büro und hielt eine
Tasse Schokolade in beiden Händen. Sie war sehr heiß, schien
ihm aber eine gewisse Sicherheit zu vermitteln. Vor ihm auf dem Tisch
stand seine alte Kaffeedose, die Leo ihm gleich zu Anfang gegeben hatte,
um ihm die Angst zu nehmen. Außerdem hatte Leo die Kollegen gebeten,
sich in die Ecke zu setzen, damit sich der Junge nicht bedrängt fühlte.
Stahnke sollte mitstenographieren. Alle machten sich auf eine langwierige
Befragung gefasst.
Leo rückte an den Tisch,
öffnete eine Papiertüte und holte eine Zimtschnecke heraus.
»Magst du?«
Paul nickte, schaute aber
nicht hoch. Dann griff er nach der Zimtschnecke und biss ganz schnell
hinein.
»War ziemlich kalt in
dem Keller, was?«
Nicken.
»Wie bist du eigentlich
dort gelandet?«
»Bin gelaufen, immer
weiter«, sagte der Junge heiser, als hätte er länger nicht
geredet. »Ich wollte weg.«
»Weil du Angst hattest?«
»Ja.«
»Vor deinem Vater? Oder
dem Mann mit dem schwarzen Auto?«
Bei dieser Frage sah der
Jungen zum ersten Mal hoch. »Du kennst den auch?«
Leo nickte. »Ich glaube
schon.« Er schob Paul eine Skizze hin, die der Polizeizeichner nach
seinen Angaben erstellt hatte. »Sah er so aus?«
Paul sah auf das Blatt und
nickte heftig.
Der Zeuge bestätigt
durch Nicken, stenographierte Stahnke.
Der Junge räusperte
sich. »Der hat mich mitgenommen. Im Auto.«
»Als Spazierfahrt?«,
fragte Leo freundlich.
»Nein, er hat mich
einfach reingezogen, ich wollte gar nicht mit, und dann war ich in einem
Schuppen, und der Mann war so unheimlich. Bis so 'n Liebespaar reinkam, da
bin ich weggelaufen. «
»Hattest du ihn vorher
schon gesehen?«
»Ja. Er hat mich immer
angeguckt und nach dem Maler gefragt. Wenn ich auf der Straße war,
tauchte er einfach auf.«
»Ich nehme an, er hat
dich beobachtet. Kannst du dich erinnern, wann du ihn zum ersten Mal
gesehen hast?«
Der Junge überlegte
angestrengt. »Ich weiß nicht genau. Da war mal so einer im
Wald, als der Maler mir das Geld geschenkt hat. Als ich das Bild
verstecken sollte. Der hat nur dagestanden und geguckt. Aber ich weiß
nicht, ob das der mit dem
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