Tod in Blau
Korrespondenzmappe.
»Robert, die nehmen wir
auch mit, dafür brauchen wir Zeit. Anscheinend hat er wahllos alle
Briefe hineingestopft.«
Im Wagen schlug Leo sein
Notizbuch auf. »Also, was sagt uns die Wohnung? Bremer war
ordnungsliebend, wenn es nicht gerade um die Aufbewahrung seiner
Korrespondenz ging. Politisch eher rechts stehend, mit einem Hang zum
Germanentum.«
»Und das ist noch
vorsichtig ausgedrückt.«
»Wir wissen nicht, ob
er tatsächlich Verbindungen in solche Kreise unterhielt oder das Zeug
einfach nur aus Neugier gelesen hat.«
Walther sah ihn zweifelnd an.
»Normalerweise bist du nicht so zaghaft.«
»Und verbrenne mir
jedes Mal den Mund«, meinte Leo. »Warten wir ab, was wir in
den Briefen finden.«
Emil Hancke war ein
distinguierter älterer Herr, dem man den täglichen Umgang mit
seiner eleganten Kundschaft deutlich anmerkte. Er war reichlich blass,
obwohl der Besuch im Leichenschauhaus bereits einen Tag zurücklag,
und betupfte sich den Schnurrbart mit einem blütenweißen
Taschentuch. Leo bot ihm einen Platz und ein Glas Wasser an.
»Ich weiß,
Wasserleichen sind kein schöner Anblick. Daher danke ich Ihnen, dass
Sie sich die Mühe gemacht und den Toten identifiziert haben. Wir
haben bereits seine Wohnung durchsucht, möchten von Ihnen aber möglichst
viel Persönliches über Herrn Bremer erfahren.«
»Er arbeitete seit drei
Jahren in meinem Haus. Untadeliges Verhalten, beliebt bei unseren
anspruchsvollen Kunden. Daher war ich auch sehr verwundert, als er mehrere
Tage lang nicht zur Arbeit erschien. Es kann sich nur um einen Unfall
handeln, das sehen Sie gewiss genauso.«
Leo ließ sich nicht
gern von Zeugen vorschreiben, was er zu denken hatte, und sagte ungerührt:
»Immer langsam, Herr Hancke. Ein Unfall ist mehr als
unwahrscheinlich. Es kommt ausgesprochen selten vor, dass jemand
versehentlich in den Kanal fällt, es sei denn, er wäre
sturzbetrunken. Wahrscheinlicher ist ein Selbstmord oder Mord.«
Hancke blickte entsetzt hoch
und betupfte sich erneut den Mund. »Selbstmord? Völlig
ausgeschlossen. Ein aufrechter Mann von anständiger Gesinnung wie
Herr Bremer würde doch nie …«
Leo horchte auf, da er sich
an die zweifelhafte Literatur erinnerte, und hob die Hand. »Wie
genau meinen Sie das mit der Gesinnung, Herr Hancke?«
Der Geschäftsmann hüstelte
verlegen und rückte etwas näher an den Tisch heran. »Herr
Kommissar, Sie können sich nicht vorstellen, welche Propaganda
heutzutage unter den Angestellten kursiert. Roter Schund, kommunistische
Pamphlete, Aufrufe zum Umsturz. Das kann ich mir bei meinen Kunden nicht
leisten. Erst letzten Monat musste ich einen Schneidergesellen entlassen,
der solche Machwerke im Atelier verbreitet hat. So etwas hätte der
Bremer nie getan. Genau das meine ich mit anständiger Gesinnung.«
»Danke für die Erläuterung«,
sagte Leo trocken. Er öffnete eine Schreibtischschublade und breitete
die fragwürdige Lektüre des Toten auf dem Tisch aus. »Deckt
sich das vielleicht mit seiner Gesinnung?«
Hancke schaute von einem
Titelblatt zum nächsten und schüttelte dann verwundert den Kopf.
»So etwas habe ich nie bei ihm gesehen, Herr Kommissar. Ich wusste
nicht, dass er solches … solches Geschreibsel las.«
Hier war offensichtlich
nichts weiter über die politischen Aktivitäten Bremers zu
erfahren. »Fällt Ihnen vielleicht dennoch ein möglicher
Grund für einen Selbstmord ein? Geldsorgen? Oder enttäuschte
Liebe?«
Hancke überlegte.
»Nun ja, da war eine junge Frau, die hat Bremer ab und zu von der
Arbeit abgeholt. Sie wartete immer an der Haltestelle gegenüber,
damit es nicht so auffiel. Ich habe es natürlich bemerkt, doch da
Herrn Bremers Verhalten stets untadelig war, bin ich nicht eingeschritten.«
»Wissen Sie, wie sie
heißt?«
»Zufällig ja.
Bremer hat sie mir vor einigen Wochen vorgestellt. Er führte sie an
der Hand ins Geschäft herein, ein wenig verlegen, aber strahlend, es
war geradezu rührend. Fräulein Maria Hagen, so lautete der Name.«
»Können Sie die
Dame beschreiben?«
»Sicher, so alt sind
meine Augen nun auch wieder nicht«, meinte er lächelnd. »Etwa
eins sechzig groß, schlank, braunes Haar, das sie ziemlich kurz trägt,
geschminkt, aber nicht ordinär. Er erwähnte noch, sie sei
Platzanweiserin in einem Lichtspielhaus
»Haben Sie die beiden
danach noch einmal
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