Tod in Blau
Balkons mit schmiedeeiserner Brüstung,
türmchenverziertes Dach, ein Portal mit vier flankierenden Säulen
an jeder Seite, eine geschnitzte Holztür mit Buntglasscheiben. Er
hatte auch mit nichts anderem gerechnet, nachdem er bei Ulrich von Mühl
gewesen war. Die Asgard-Gesellschaft schien ein ausgesprochen exklusiver
Klub zu sein, der seine Mitglieder nach strengen Kriterien auswählte.
Adlige Herkunft, Offizierslaufbahn, deutschnationale Ansichten. Nur die
Gegend war einen Hauch zu schlicht, Leo hätte vom Hofe eher in Dahlem
oder Zehlendorf vermutet.
Der Empfang überraschte
ihn dann doch ein wenig. Richard vom Hofe begrüßte die Beamten
zuvorkommend, beinahe als hätte er sie erwartet. Denkbar, dass von Mühl
ihn vorgewarnt hatte, nachdem Leo ihn wegen seiner Äußerungen
gegen Wegner befragt hatte. Er bat Leo und seine Kollegen in den Salon.
Der Raum wirkte nicht so betont maskulin wie bei Ulrich von Mühl, an
den Wänden hingen einige auffallend schöne Seidenbilder,
vermutlich aus China. Als Leos Blick darauf fiel, sagte vom Hofe: »Ich
bin vor dem Krieg im diplomatischen Dienst in China gewesen, Herr
Kommissar. In der Vitrine dort drüben steht auch chinesisches
Porzellan. Nehmen Sie doch bitte Platz, meine Herren.«
Leo zog es im Grunde vor zu
stehen, wollte aber eine Konfrontation vermeiden und nahm mit Berns und
Robert auf seidenbezogenen Stühlen Platz.
»Was kann ich für
Sie tun?«
»Ist Ihnen ein Fräulein
Thea Pabst bekannt, Herr vom Hofe?«
Falls er überrascht war,
ließ er es sich nicht anmerken, sondern schlug leger die Beine
übereinander und legte ganz entspannt einen Arm über die Rückenlehne
seines Stuhls. »Ja, die ist mir bekannt.«
»Wie gut?«
»Ich weiß zwar
nicht, warum das für Sie von Interesse sein sollte, aber wir hatten
eine Affäre.«
»Hatten?«, fragte
Leo schnell.
Vom Hofe nickte. »Ich
habe sie aus persönlichen Gründen beendet.«
»Dürfte ich die Gründe
wissen?«
»Nein.« Die
Antwort klang ebenso höflich wie abweisend.
Leo wechselte das Thema, um
von Hofe nicht von Anfang an zu provozieren. »Wussten Sie, dass Fräulein
Pabst auch ein Verhältnis mit dem Maler Arnold Wegner unterhielt?«
»Ja, das war mir
bekannt. Aber ich bin ein großzügiger Mensch und war zu keiner
Zeit an einer engeren Beziehung mit Fräulein Pabst interessiert.
Daher hat es mich nicht weiter gestört.« Er schnippte eine
imaginäre Fluse von seinem makellosen dunkelgrauen Ärmel. Höflich,
aber betont gelangweilt, dachte Leo. Nun gut.
»Haben Sie Wegner persönlich
gekannt?«
Leo meinte, ein winziges
Zucken in vom Hofes Gesicht zu bemerken, doch das konnte ebenso gut
Einbildung sein.
»Nein«,
antwortete vom Hofe knapp.
»Wie erklären Sie
sich dann, dass Wegner eine Zeichnung angefertigt hat, auf der Fräulein
Pabst Sie zu erkennen glaubt?« Leo griff in seine Aktentasche.
»Wie gut, dass ich sie dabeihabe.« Er nahm die Zeichnung
heraus und reichte sie vom Hofe, der sie zögernd entgegennahm und nur
einen flüchtigen Blick darauf warf.
»Die habe ich nie
gesehen.«
»Danach habe ich auch
nicht gefragt«, erklärte Leo geduldig. »Ich möchte
lediglich wissen, ob Ihnen jemand darauf bekannt vorkommt.«
Vom Hofes linke Hand krampfte
sich um die Stuhlkante. Berns zog eine Augenbraue hoch.
Kopfschütteln. »Nein,
die Gesichter sind ja auch nicht sehr gut zu erkennen.«
Leo nahm die Zeichnung wieder
an sich und schlug eine andere Richtung ein.
»Wie Sie vielleicht
wissen, wurde Arnold Wegner ermordet. Ich hörte, dass Ihr Bekannter,
Herr von Mühl, auf einer Gesellschaft einmal gegen Wegners Kunst
wetterte, weil sie angeblich undeutsch und verkommen sei. Teilen Sie seine
Meinung?«
Vom Hofe schien sich wieder
auf sicherem Terrain zu fühlen. »Das tue ich in der Tat.
Allerdings dürfte das wohl kaum ein Grund sein, einen Maler zu töten.
Man sollte lieber auf Museen und Galerien einwirken, damit solche Werke
gar nicht erst ausgestellt oder zum Verkauf angeboten werden.«
»Waren Sie an jenem
Abend bei Konsul Haberland zugegen?«
Vom Hofe schüttelte den
Kopf. »Ulrich hat mir nur davon erzählt.«
»Besitzen Sie ein
Automobil?«, fragte Walther unvermittelt.
Verwundert schaute vom Hofe
von ihm zu Leo und wieder zurück. »Was tut das zur Sache?«
»Eine Antwort, bitte,
Herr vom Hofe«, forderte Leo nachdrücklich.
»Ja, ich
Weitere Kostenlose Bücher