Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod in Blau

Tod in Blau

Titel: Tod in Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
Vom Netzwerk:
Gesichtern.« Sie schaute ihn an, als
     hätte sie etwas Dummes gesagt. »Leider verstehe ich nicht viel
     von Malerei.«
    »Wer tut das schon? Am
     wenigsten die Leute, die von sich behaupten, große Kunstkenner zu
     sein.«
    »Das ist beim Tanzen
     ganz ähnlich«, sagte sie mit wiedergewonnener Selbstsicherheit.
     »Wirklich verstehen kann man es nur, wenn man es selbst versucht
     hat.«
    »Ihr Inflationstanz hat
     mich sehr beeindruckt, Fräulein Pabst«, erklärte der Maler
     mit einer leichten Verbeugung. »Ganz und gar ungewöhnlich,
     etwas so Profanes wie Geldentwertung im Tanz auszudrücken.«
    »Es ist eben eine neue
     Richtung«, erklärte die Tänzerin. »Anita Berber hat
     ›Rauschgift‹ getanzt, das war ein großer Erfolg. Sie
     konnte ja auch aus Erfahrung schöpfen«, fügte sie ein
     wenig boshaft hinzu.
    »Sind Sie dem Laster
     des weißen Pulvers noch nicht verfallen?«, fragte Wegner, zündete
     sich eine Zigarette an und hielt ihr das Etui hin.
    »Nein, ich hab es mal
     probiert, aber es hat mir gar nichts gegeben. Ich behalte lieber einen
     klaren Kopf. Ich kenne genügend Leute, die völlig vor die Hunde
     gegangen sind. Betteln nachts in den übelsten Kaschemmen um ein
     bisschen Koks. Das ist nichts für mich.«
    Ein Mädchen mit klarem
     Verstand, dachte der Maler. Ein netter Kontrast zu ihrem verruchten
     Auftritt. Er gab ihr Feuer und wollte die Streichholzdose einstecken, als
     sie seine Hand ergriff. »Darf ich mal sehen?«
    Bereitwillig reichte er ihr
     die Dose.
    »Die ist aber hübsch.«
     Ein flaches Döschen aus mattem Silber, in das genau eine Schachtel
     Streichhölzer passte. Die angerauten Seiten dienten als Reißfläche.
     Schlicht, aber wunderbar zweckmäßig.
    »Eine Erinnerung«,
     sagte Wegner.
    »Verraten Sie mir auch,
     woran?«
    »An Paris. Noch vor dem
     Krieg. Ich würde gern mal wieder hinfahren.«
    »Warum tun Sie es
     nicht?«
    Wegner lächelte. »Ich
     kann zwar vom Verkauf meiner Bilder leben, obwohl es mich manchmal
     wundert, dass sich die Leute Bilder in den Salon hängen, die ihnen so
     wenig schmeicheln. Reich bin ich dabei allerdings nicht geworden. Und
     Paris ist teuer.«
    »Passen Sie gut auf die
     Dose auf.«
    »Das werd ich.«
     Er steckte sie wieder ein. »Ich würde Sie gern malen.«
    Sie sah ihn überrascht
     an. »Sie haben mich doch gerade erst kennen gelernt.«
    »Es war ja auch kein
     Heiratsantrag«, meinte er lachend was Thea Pabst keineswegs aus der
     Fassung brachte. Gut so dachte er, eine Frau, mit der man vernünftig
     reden kann. »Ich würde Sie gern so malen, wie Sie eben getanzt
     haben.«
    Sie lächelte spöttisch.
     »Mit oder ohne Geldscheine?«
    »Das überlege ich
     mir, wenn es so weit ist. Meist kommen mir solche Ideen ganz spontan.«
     Er zog eine Karte aus der Tasche. »Ich habe ein Atelier in den
     Rehbergen. Wie wäre es mit übernächstem Sonntag?
     Nachmittags bin ich immer dort anzutreffen.«
    »Sie warten nicht gern,
     was?«
    »Wenn ich mich zu etwas
     entschließe, schiebe ich es nicht vor mir her«, sagte er und
     hielt ihr die Karte abwartend hin Sie überlegte kurz und griff
     danach. Er bemerkte ihre Hand ohne Ringe, ohne den blutroten Nagellack,
     den viele Frauen heutzutage bevorzugten, mit gepflegten, kurzen Nägeln.
     Sicher, ein Heiratsantrag war es nicht gewesen. Aber es würde ein
     Genuss sein, sie zu malen.

 
    2
    Es war ein schöner
     Abend, noch mild, doch lag schon ein Hauch von Herbst in der Luft. Leo
     Wechsler machte einen Umweg über die Arminius-Markthalle, um zu
     sehen, was er dort für sein Geld bekommen konnte. 
    In dem schönen gelb-rot
     gemauerten Bau drängten sich die Menschen an den Marktständen.
     Durch den breiten Mittelgang fuhren die Lieferanten mit Pferdewagen,
     Handkarren und sogar Hundegespannen, um die Händler mit Waren zu
     versorgen. Heutzutage bekamen viele Arbeiter den Lohn mehrmals im Monat
     ausgezahlt, weil das Geld immer schneller an Wert verlor. Wer keine
     Lebensmittelmarken mehr besaß, musste ordentlich draufzahlen, frei
     verkäufliches Brot kostete dreimal so viel wie Markenbrot. Leo schüttelte
     den Kopf, als er die Schilder sah, auf denen immer wieder neue Beträge
     durchgestrichen waren. Manche Händler hatten lieber Kreidetafeln
     aufgestellt, die sie nur abwischen mussten, wenn die Preise wieder
     stiegen.
    An einem Gemüsestand
     blieb Leo stehen und schaute sich die Auslage an. Die Marktfrau, die aus
     einem dampfenden Emaillebecher trank, begrüßte

Weitere Kostenlose Bücher