Tod in Blau
Gesichtern.« Sie schaute ihn an, als
hätte sie etwas Dummes gesagt. »Leider verstehe ich nicht viel
von Malerei.«
»Wer tut das schon? Am
wenigsten die Leute, die von sich behaupten, große Kunstkenner zu
sein.«
»Das ist beim Tanzen
ganz ähnlich«, sagte sie mit wiedergewonnener Selbstsicherheit.
»Wirklich verstehen kann man es nur, wenn man es selbst versucht
hat.«
»Ihr Inflationstanz hat
mich sehr beeindruckt, Fräulein Pabst«, erklärte der Maler
mit einer leichten Verbeugung. »Ganz und gar ungewöhnlich,
etwas so Profanes wie Geldentwertung im Tanz auszudrücken.«
»Es ist eben eine neue
Richtung«, erklärte die Tänzerin. »Anita Berber hat
›Rauschgift‹ getanzt, das war ein großer Erfolg. Sie
konnte ja auch aus Erfahrung schöpfen«, fügte sie ein
wenig boshaft hinzu.
»Sind Sie dem Laster
des weißen Pulvers noch nicht verfallen?«, fragte Wegner, zündete
sich eine Zigarette an und hielt ihr das Etui hin.
»Nein, ich hab es mal
probiert, aber es hat mir gar nichts gegeben. Ich behalte lieber einen
klaren Kopf. Ich kenne genügend Leute, die völlig vor die Hunde
gegangen sind. Betteln nachts in den übelsten Kaschemmen um ein
bisschen Koks. Das ist nichts für mich.«
Ein Mädchen mit klarem
Verstand, dachte der Maler. Ein netter Kontrast zu ihrem verruchten
Auftritt. Er gab ihr Feuer und wollte die Streichholzdose einstecken, als
sie seine Hand ergriff. »Darf ich mal sehen?«
Bereitwillig reichte er ihr
die Dose.
»Die ist aber hübsch.«
Ein flaches Döschen aus mattem Silber, in das genau eine Schachtel
Streichhölzer passte. Die angerauten Seiten dienten als Reißfläche.
Schlicht, aber wunderbar zweckmäßig.
»Eine Erinnerung«,
sagte Wegner.
»Verraten Sie mir auch,
woran?«
»An Paris. Noch vor dem
Krieg. Ich würde gern mal wieder hinfahren.«
»Warum tun Sie es
nicht?«
Wegner lächelte. »Ich
kann zwar vom Verkauf meiner Bilder leben, obwohl es mich manchmal
wundert, dass sich die Leute Bilder in den Salon hängen, die ihnen so
wenig schmeicheln. Reich bin ich dabei allerdings nicht geworden. Und
Paris ist teuer.«
»Passen Sie gut auf die
Dose auf.«
»Das werd ich.«
Er steckte sie wieder ein. »Ich würde Sie gern malen.«
Sie sah ihn überrascht
an. »Sie haben mich doch gerade erst kennen gelernt.«
»Es war ja auch kein
Heiratsantrag«, meinte er lachend was Thea Pabst keineswegs aus der
Fassung brachte. Gut so dachte er, eine Frau, mit der man vernünftig
reden kann. »Ich würde Sie gern so malen, wie Sie eben getanzt
haben.«
Sie lächelte spöttisch.
»Mit oder ohne Geldscheine?«
»Das überlege ich
mir, wenn es so weit ist. Meist kommen mir solche Ideen ganz spontan.«
Er zog eine Karte aus der Tasche. »Ich habe ein Atelier in den
Rehbergen. Wie wäre es mit übernächstem Sonntag?
Nachmittags bin ich immer dort anzutreffen.«
»Sie warten nicht gern,
was?«
»Wenn ich mich zu etwas
entschließe, schiebe ich es nicht vor mir her«, sagte er und
hielt ihr die Karte abwartend hin Sie überlegte kurz und griff
danach. Er bemerkte ihre Hand ohne Ringe, ohne den blutroten Nagellack,
den viele Frauen heutzutage bevorzugten, mit gepflegten, kurzen Nägeln.
Sicher, ein Heiratsantrag war es nicht gewesen. Aber es würde ein
Genuss sein, sie zu malen.
2
Es war ein schöner
Abend, noch mild, doch lag schon ein Hauch von Herbst in der Luft. Leo
Wechsler machte einen Umweg über die Arminius-Markthalle, um zu
sehen, was er dort für sein Geld bekommen konnte.
In dem schönen gelb-rot
gemauerten Bau drängten sich die Menschen an den Marktständen.
Durch den breiten Mittelgang fuhren die Lieferanten mit Pferdewagen,
Handkarren und sogar Hundegespannen, um die Händler mit Waren zu
versorgen. Heutzutage bekamen viele Arbeiter den Lohn mehrmals im Monat
ausgezahlt, weil das Geld immer schneller an Wert verlor. Wer keine
Lebensmittelmarken mehr besaß, musste ordentlich draufzahlen, frei
verkäufliches Brot kostete dreimal so viel wie Markenbrot. Leo schüttelte
den Kopf, als er die Schilder sah, auf denen immer wieder neue Beträge
durchgestrichen waren. Manche Händler hatten lieber Kreidetafeln
aufgestellt, die sie nur abwischen mussten, wenn die Preise wieder
stiegen.
An einem Gemüsestand
blieb Leo stehen und schaute sich die Auslage an. Die Marktfrau, die aus
einem dampfenden Emaillebecher trank, begrüßte
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