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Tod in Blau

Tod in Blau

Titel: Tod in Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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widerwillig, zur Tür schlenderte, rief Wegner ihm noch nach:
     »Wie heißt du eigentlich?«
    »Paul, Paul Görlich.«
    Seither war er öfter
     gekommen und hatte meist schweigend zugesehen, wie Wegner malte. Der Maler
     hatte sich an seine Gesellschaft gewöhnt und blickte bisweilen beim
     Arbeiten über die Schulter, als erwarte er, Paul in der Tür zu
     sehen.
    Wegner trat vor die Staffelei
     und betrachtete die angedeuteten Linien, die er mit Bleistift
     vorgezeichnet hatte. Dann schaute er zu der blau grundierten Skizze, die
     auf dem Tisch jag, und schüttelte den Kopf. Er griff zum Radiergummi
     und entfernte säuberlich den begonnenen Entwurf. Die Skizze kam
     seiner Vorstellung schon sehr nahe, nun musste er den Ausdruck der
     Gesichter, Qual und brutale Ekstase, auf die größere Leinwand
     übertragen. Und würde sich alle Zeit der Welt dafür nehmen.        
    Denn bei diesem Bild würde
     er ganz frei sein. Diesmal würde er nicht malen, was er auf den Straßen
     und in den Salons sah, sondern eine Erinnerung, die seit kurzem wieder an
     die Oberfläche drängte und ihm keine Ruhe ließ. Eine
     Erinnerung voller Gewalt, intim und roh, die nicht das Gemetzel auf dem
     Schlachtfeld zeigen würde und dennoch ungeheuren Sprengstoff barg.

 
    3
    Oktober 1922
    Beim Sonntagskaffee herrschte
     unbehagliches Schweigen, das Leo durchbrach, indem er sich nach Bruno
     Schneiders Automobil erkundigte. Ein Leuchten ging über dessen
     Gesicht.
    »Ein toller Wagen, Herr
     Wechsler, da kann ich einfach nicht bescheiden sein.« Er strahlte
     übers ganze Gesicht, und Leo musste zugeben, dass Schneiders
     unverhohlener Besitzerstolz nicht unsympathisch war. »Und ich kann
     mir nichts Schöneres vorstellen, als mit Fräulein Ilse eine
     Spritztour darin zu unternehmen.«
    Du lieber Himmel, dachte Leo,
     sollte Ilse diesmal das große Los gezogen haben? Der Mann hatte ein
     frisches, offenes Gesicht und war gut gekleidet, der perfekte Kavalier bis
     hin zur Nelke im Knopfloch.
    »Und wie schnell fährt
     er? Ich habe wenig Erfahrung mit Automobilen, da ich selbst keins besitze«,
     sagte Leo und warf seiner Schwester einen ermutigenden Blick zu.
    »Er macht so seine
     siebzig Sachen«, erwiderte Bruno Schneider mit einem bescheidenen Lächeln.
    »Verraten Sie mir, wie
     man es in diesen Zeiten zu solchem Wohlstand bringt«, meinte Leo und
     fügte hinzu: »Nehmen Sie noch von dem Apfelkuchen, den bäckt
     niemand besser als meine Schwester.«
    Ilse sah ihn beschwörend
     an, als wollte sie sagen, übertreib es nicht, doch ihr Gast lehnte
     sich behaglich zurück. »Geschäftsgeheimnis, Herr Wechsler.
     Nein, im Ernst, ich bin Kaufmann und nutze meine Verbindungen. Geschäftsauflösungen,
     Nachlässe, dabei konzentriere ich mich auf Schmuck, Bilder, Antiquitäten.
     Hauptsache, es ist nicht aus Papier und mit Zahlen bedruckt.«
    »Das ist klug«,
     meinte Leo. »Uns Beamten bleiben solche Möglichkeiten leider
     versagt.«
    Bruno Schneider nahm sich
     noch ein Stück Kuchen. »Kompliment, Fräulein Ilse, eine
     echte Delikatesse.« Dann wandte er sich wieder an Leo. »Dafür
     dürfte Ihre Arbeit aber sehr viel spannender sein als meine.
     Verbrecherjagd und so weiter. Haben Sie nicht vor kurzem einen Doppelmörder
     gefasst? Irgendetwas mit einem Wunderheiler und einem Straßenmädchen?«
    »Ja, das ist richtig,
     es war einer der Fälle, die Schlagzeilen machen, vor allem, weil es
     ein illustres Mordopfer gab, aber das sind eher Ausnahmen. Ich fürchte,
     viele Leute haben eine falsche Vorstellung von unserer Arbeit. Meist
     sitzen wir im Büro über Akten oder klingeln an Haustüren,
     um Menschen zu befragen, die uns belügen oder sich mit Märchen
     wichtigtun«, meinte Leo lächelnd.
    »Ach, Herr Wechsler,
     das kann ich nicht glauben.«
    »Doch, doch, geniale
     Verbrecher wie dieser Dr. Mabuse sind nur Phantasiegestalten. Die meisten
     Kriminellen sind ganz gewöhnliche Menschen, vulgär, von
     Leidenschaften getrieben oder einfach nur verzweifelt.« Und genau
     das war es, was ihn an seinem Beruf faszinierte: die vielen
     unterschiedlichen Menschen, die Charaktere, denen er im Laufe der Jahre
     begegnet war. Die Gesichter, hinter denen so viele verborgene Gefühle
     lagen und die oft nur Masken waren für Schmerz, Hass oder dunkle
     Triebe.
    Schneider beugte sich eifrig
     vor. »Ich habe ein interessantes Buch gelesen, in dem ein Arzt
     beschreibt, wie man das Verbrechen in der Welt ausmerzen

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