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Tod in Blau

Tod in Blau

Titel: Tod in Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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sah auf die Uhr. Er könnte
     noch in die »Weiße Maus« gehen oder in die »Palette«,
     um Freunde zu treffen. Als er gerade mit dem Gedanken spielte, sich den
     Mantel geben zu lassen, trat die Gastgeberin Charlotte Kreisler in die
     Mitte des Raums und klatschte in die Hände.
    »Meine lieben Freunde,
     dürfte ich einen Moment um Ihre Aufmerksamkeit bitten? Nachdem uns
     die Damen vom Ballett Celly de Rheydt mit ihrer Darbietung erfreut haben,
     möchte ich Ihnen jetzt etwas ganz Besonderes präsentieren: eine
     junge Tänzerin, die erst am Anfang ihrer Karriere steht. Sie wird uns
     heute Abend eine Darbietung zeigen, die, wie sie sagt, aus dem Geist der
     Zeit geboren ist. Begrüßen Sie mit mir Thea Pabst und ihren
     Partner Stephan Castorff, die das Programm ›Inflation‹ für
     uns tanzen werden.«
    Die Kronleuchter erloschen,
     ein gedämpfter Trommelwirbel erklang. Ein Scheinwerfer tauchte die
     improvisierte Bühne in goldenes Licht. Das Murmeln im Salon erstarb,
     alle Augen richteten sich auf den Vorhang, in dessen Spalt nun eine Hand
     erschien. Eine zarte Hand, ohne Schmuck, mit langen, schön geformten
     Fingern, die einen Geldschein hielten. Die Hand zuckte lässig, der
     Schein flatterte zu Boden. Die Spannung im Raum war beinahe greifbar.
    Dann trat die Tänzerin
     ins Licht. Zart, fast knabenhaft, mit lockigem, honigblondem Haar, das
     sich eng an den Kopf schmiegte. Doch nicht ihr Kopf war es, der die
     Zuschauer in Bann schlug, sondern das Nichts von
     einem Kostüm. Kein Tüll, kein Gazeschleier, wie sonst bei
     derartigen Darbietungen üblich, sondern Geldscheine, die unmittelbar
     auf die Haut geklebt waren. Der Kontrast zwischen ihrer makellosen Gestalt
     und den Geldscheinen war so frappierend, dass selbst Wegner der Atem
     stockte. Er hatte Anita Berber mehr als einmal auf der Bühne erlebt,
     und Thea Pabst schien ihr mehr als ebenbürtig.
    Es gab keine Musik außer
     der gedämpften Trommel. Die Tänzerin bewegte sich rhythmisch
     über das Parkett und strich sich über den beklebten Körper.
     Dann kam ein männlicher Tänzer hinzu, der eine Maske trug und
     dessen Körper ganz mit goldener Farbe bemalt war. Er umschlang die Tänzerin,
     zupfte bei jedem Schritt einen Geldschein ab. Manche fielen einfach zu
     Boden, andere warf er ins Publikum oder zerknüllte sie achtlos, einen
     entzündete er an der Zigarre eines überraschten Herrn im
     Publikum. Ihr nackter Körper war atemberaubend, sie verhüllte
     nicht einmal die Scham mit einem dekorativen Nichts. Der Schlag der
     Trommel wurde immer schneller, der Tanz immer wilder, bis die Tänzerin
     schließlich mit einem Aufschrei zu Boden sank, die Hände um den
     Kopf geschlungen. Der goldene Mann kniete sich hinter sie und streckte
     sich auf ihrem gekrümmten Rücken aus, bis er sie ganz bedeckte.
     Plötzlich löste sich ein Mechanismus an der hohen Salondecke und
     ließ einen ganzen Schauer aus Banknoten auf sie hinabregnen.
    *
    Die Einladung, die auch den
     soeben dargebotenen Tanz ankündigte, war auf handgeschöpftem Bütten
     mit zartem Wellenrand gedruckt. Arnold hatte bezweifelt, dass man die
     allgegenwärtige, überaus prosaische Geldentwertung in einen Tanz
     verwandeln konnte, und fand sich nun eines Besseren belehrt. Die Frau
     hatte ihm gefallen, außerordentlich gefallen. Er würde sie gern
     malen.
    Als Thea Pabst in einem roten
     Kleid, zu dem sie eine lange, auffällige Kette aus schwarzem
     Bakelit trug, im Salon erschien, applaudierten die Gäste erneut. Sie
     dankte mit einer angedeuteten Verbeugung und nahm das Glas Champagner, das
     die Gastgeberin ihr anbot.
    »Wo ist Ihr
     Tanzpartner, Fräulein Pabst?«, erkundigte sich Charlotte
     Kreisler.
    »Herr Castorff lässt
     sich entschuldigen, aber er hat heute Abend noch einen weiteren Auftritt«,
     entgegnete sie mit einer überraschend tiefen Stimme, die gar nicht zu
     ihrer zarten Erscheinung passte. »Er wäre gern geblieben. So müssen
     Sie leider mit mir vorliebnehmen.«
    Arnold trat wie beiläufig
     hinzu, da er hoffte, der Tänzerin vorgestellt zu werden. Was auch
     geschah.
    »Darf ich Sie mit
     Arnold Wegner, dem bekannten Maler, bekannt machen?«
    Thea Pabst streckte ihm die
     Hand hin. »Sehr erfreut. Ich habe einige Bilder von Ihnen gesehen.
     Sie haben mir Angst gemacht.«
    »Warum?«, fragte
     Arnold überrascht.
    »Mir scheint, Sie
     blicken durch die Menschen hindurch. Sie sehen, was die Leute denken. Und
     das spiegelt sich dann in ihren

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