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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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wäre er vielleicht nicht auf die Unterschiede aufmerksam geworden. Doch den Haut-Bourton von Gaston hätte er eindeutig als mindere Qualität eingestuft. Davon gab es jetzt nur noch eine Flasche. Er kannte jemanden, der gut auf sie aufpassen würde.
    Er verließ den Laden, schloss sorgfältig ab und prüfte die Alarmanlage. Morgen war Gastons Beerdigung, er würde früh aufbrechen müssen.

Kapitel 3
    Der Fahrer stieg aus dem Wagen, gestikulierte wie wild und schrie den Kassierer der Mautstelle an. Worum es ging, war Martin schleierhaft, obwohl er an fünfter Stelle in der Schlange stand und das Geschrei durch die geschlossenen Fenster hörte. Andere Fahrer stiegen aus, mischten sich ein, hinter ihm wurde gehupt und gezetert, doch der Schlagbaum blieb geschlossen, und die zweite Durchfahrt war gesperrt. Martin haderte mit seinem Schicksal.
    In einer halben Stunde sollte Gaston beerdigt werden, bis dahin würde er es höchstens bis nach Libourne schaffen. Dass er zu spät kommen würde, war klar. Was für eine Blamage.
    Dabei war er um drei Uhr morgens losgefahren, um auf jeden Fall pünktlich zu sein. Wie ein Irrer war er durch den Nebel vor Saarbrücken gerast, vor Metz hatte ihn ein Stau aufgehalten, das Chaos um Orleans hatte ihn mehr als eine Stunde gekostet, und auf dem letzten Stück hatte die Polizei ihn bei 180 km/h gestoppt. Er hatte richtig viel zahlen müssen, und dass er weiterfahren durfte, verdankte er nur dem dunklen Anzug und der schwarzen Krawatte.
    Gestern Abend war er zu Sichel gefahren. Der Versicherungskaufmann war der einzige seiner ehemaligen Mitschüler, mit dem ihn eine Freundschaft verband. Bei ihm schloss Martin alle Versicherungen ab, und sie joggten häufig gemeinsam. Der Haut-Bourton war gut bei ihm aufgehoben. Sichel hatte sich damit zufrieden gegeben, nach Martins Rückkehr über den Sachverhalt aufgeklärt zu werden.
    Natürlich war Martin zu spät zu Petra gekommen, was die Aussicht auf einen angenehmen Abend mit ihr zunichte machte. Sie hatten sich gestritten - über seine Verspätung, seinen mangelnden Ehrgeiz und sein Vorhaben. Martin hatte versucht, ihr zu erklären, dass jetzt, acht Jahre nachdem die Weinstöcke gepflanzt worden waren, die Trauben so gut waren wie nie zuvor. Die konnte er niemand anderem überlassen, zumal es bereits Optionen auf den neuen Wein gab, der nicht einmal geerntet worden war. Doch es war hoffnungslos gewesen. Petra wollte ihn einfach nicht verstehen. So konnte es wirklich nicht mehr weitergehen.
    Martin schrak aus seinen Gedanken. Am Schlagbaum hatte man sich offensichtlich geeinigt, die Fahrer vor ihm stiegen in ihre Autos, es ging weiter, und auch er zahlte am Glaskasten. Danach quälte er sich hinter Traktoren über die Landstraße und erreichte Saint-Émilion eine Stunde später. Er parkte am Rand des Städtchens und hastete hinauf zur Kirche.
    Die Trauergemeinde war gerade dabei, sich aufzulösen. Viele waren gekommen, sechzig oder siebzig Personen. Jemand machte Aufnahmen mit Blitzlicht. Umarmungen, Tränen, Händeschütteln, ehrliche und gespielte Mitleidsbezeugungen, Scheinheiligkeit und Anteilnahme. Den einen oder anderen kannte Martin vom Sehen, es waren Verwandte, Nachbarn und Freunde, Geschäftsleute und Winzer. Da war sicher der eine oder andere darunter, der insgeheim froh war, dass Gastons kritische Meinung verstummt war.
    Mit leicht gesenktem Kopf ging Martin auf die Gruppe zu, grüßte hier und da im Vorübergehen und bahnte sich einen Weg zu Caroline. Sie hielt Simone und Daniel an den Händen und sah ihn erleichtert an: «Ich habe gewusst, du kommst.»
    Sie umarmten sich lange, Caroline zitterte. In Anwesenheit ihrer Kinder versuchte sie, die Tränen zurückzuhalten. «Ich habe Angst gehabt, dir könnte etwas passiert sein, du hast lange gebraucht.» Ihre Augen schwammen in Tränen.
    Caroline war ein Schatten ihrer selbst, blass, mit rot geränderten Augen, die Lippen zwei Striche, die Haut fast durchsichtig. Von ihrer Lebenslust, die ihn sofort für sie eingenommen hatte, war nichts übrig.
    Martin ging in die Hocke und drückte die beiden Kinder an sich, die ihn hilflos angrinsten, als begriffen sie nicht, was um sie herum passierte. Mit tonloser Stimme präsentierte Caroline ihre Mutter, eine herrische Frau mit abweisenden Augen, und die Eltern von Gaston. Besonders der Mutter war anzumerken, wie grausam es war, das eigene Kind zu überleben. Ihr Gesicht schien wie aus Wachs, sie knetete ihre Finger und blickte immer wieder

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