Tod in Bordeaux
Anhängern voller Trauben oder Kisten unterwegs, zwischen den Rebzeilen arbeiteten Frauen und Männer, schnitten Trauben, schleppten Kiepen und hievten sie auf Lieferwagen, kleine Figuren im grünen Weinlaub im letzten Licht des Tages. Gaston hätte seine Freude daran, er wäre glücklich bei dem Anblick, dachte Martin und schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter.
Schließlich bogen sie in die schmale Straße, in der er jeden Winzer kannte, jede Rebzeile. Sogar die Erde erinnerte ihn an Gaston. Er hatte sie in die Hand genommen, daran gerochen und einige Krümel in den Mund gesteckt, um den Säurewert festzustellen. Monsieur Jerome unterbrach Martins Gedanken. «Ich muss dringend mit Ihnen reden. Gaston hat mir vor seinem Tod etwas anvertraut ...» Bevor er weitersprechen konnte, sahen sie, dass etwas beim Haus nicht stimmte.
Die Trauergemeinde stand wild gestikulierend vor der Haustür und in der Einfahrt. Eine Frau lief ihnen aufgeregt entgegen. «Es ist eingebrochen worden, im Haus! Mein Gott, wie schrecklich, die arme Caroline.»
Martin stürzte ins Haus. Er fand Caroline im Arbeitszimmer. Sie saß schluchzend auf einem Stuhl, die Frauen umringten sie. Ordner waren aus den Regalen gerissen, Papiere lagen auf dem Boden, Schubladen standen offen. Eine Vase war zerbrochen, die Blumen lagen verstreut auf dem Boden.
Alle redeten laut durcheinander. «Hat man schon die Polizei gerufen?», «Was ist gestohlen worden?», «Wer kann das gewesen sein?»
Caroline hielt sich schluchzend die Ohren zu, bis ihre Mutter sie aus dem Raum zog. Sie drehte sich kurz um. «Wir wollen jetzt keine Polizei!», befahl sie barsch und schob ihre Tochter die Treppe herauf. Madame Lisette verschwand mit Simone und Daniel in deren Zimmer.
Martin erinnerte sich an den mysteriösen Schwager am Telefon. «Hat jemand in der Garage nachgesehen?» Noch bevor jemand antworten konnte, rannte er los, Jean-Claude folgte ihm.
Er hatte richtig vermutet. Die Metalltür war aufgebrochen worden, drinnen bot sich ihnen ein ähnliches Durcheinander wie im Büro. Schläuche lagen inmitten von Rotweinlachen zwischen Gärbottichen und Werkzeugen. Schwefel aus einem aufgerissenen Sack hatte sich wie Puder über den Boden ausgebreitet. Martin erkannte verschiedene Fußabdrücke.
«Es waren mindestens zwei», sagte Martin und ging in die Hocke. «Hier, da sind zwei verschiedene Abdrücke, ein breiter und ein etwas schmalerer.»
Jean-Claude trat zurück. «Überlassen wir das der Polizei, wir sollten nichts anrühren.» Da bemerkte er die rote Lache, die sich aus dem Nebenraum einen Weg unter der Tür gebahnt hatte, und erstarrte.
Martin konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. «Das ist Wein, nicht das, was du denkst.»
Jean-Claude atmete erleichtert auf. «Bei den Katastrophen der letzten Tage kommt man auf die schlimmsten Ideen.»
Martin sah sich die Tür an. «Die haben sie mit einem Brecheisen geknackt, haben sich richtig Zeit gelassen.» Er zog die Metalltür auf, hinter der die kleinen Eichenfässer lagen, in denen der Pechant vom Vorjahr alterte und die auf Flaschen gezogenen Weine aus den vorhergehenden Jahren. Glücklicherweise war fast alles heil geblieben. Wie gut, dass Gaston sich vor kurzem entschlossen hatte, die Flaschen in Drahtkäfigen aufzubewahren.
«Da hat jemand was gesucht!» Martin musste wieder an den Diebstahl des Haut-Bourton denken. Gab es hier einen Zusammenhang?
Vom Haus kamen andere Trauergäste herüber, aber Jean-Claude ließ niemanden eintreten. «Vorsicht, ihr verwischt die Spuren! Wir lassen alles so, bis die Polizei kommt.»
«Ihr selbst seid mitten durchgelaufen», bemerkte Charlotte, die mit den anderen herangekommen war, vorwurfsvoll und sah Martin dabei an. «Das hier ist Sache der Kriminalpolizei von Libourne oder Bordeaux. Sie glauben doch nicht, dass von denen heute jemand kommt, um Bestandsaufnahme zu machen? Die werden höchstens Anweisung geben, nichts anzurühren, und morgen kommen. Ist etwas gestohlen worden?»
«Soweit ich sehen kann, nein», sagte Martin zögernd. «Sie müssen gewusst haben, dass niemand im Haus war. Aber wir sollten dennoch die Polizei verständigen.»
«Man merkt, dass Sie nicht von hier sind.» Charlotte bedachte ihn wieder mit einem ablehnenden Blick. «Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass um diese Uhrzeit noch jemand kommt? Morgen können sich die Flics in Ruhe umsehen. Das waren Profis. Die räumen systematisch Häuser aus, das passiert alle Nase lang.» Sie klang
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