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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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wenn Petra sich von ihm trennen wollte, er überließ ihr gern die Initiative. Im Moment war es ihm egal, ob das feige war - jetzt musste er zeigen, was Gaston ihm beigebracht hatte.
    Madame Lisette rief ihre Tochter, und als Charlotte sich nach ihr umdrehte, fiel ihr Blick auf Martin. Sie musterte ihn kühl, erwiderte zwar seinen Blick, doch mit wenig Interesse. Er sah ihre dunklen Augen, das scharf geschnittene Gesicht mit den hohen Wangenknochen, den fröhlichen und leicht spöttischen Mund und merkte, wie sie ihm gefiel. Das war nicht mehr das hübsche junge Mädchen, dessen Foto bei Madame Lisette auf der Vitrine stand, das war eine richtige Frau. Die kräftigen Augenbrauen, die erst anstiegen und zu den Schläfen hin abfielen, erinnerten ihn, wenn sie die Augen weit öffnete, an ein Käuzchen. Er lächelte, sie wandte sich wieder ihrem Gesprächspartner zu, der sie auf vertraute Art umarmte. Als er seine Maschine anließ und den Helm festzog, drehte sie sich um, warf mit einem Ruck das Haar aus dem Gesicht und kam gelangweilt näher. Sie sah sich noch einmal nach dem Motorradfahrer um und winkte. Martin wunderte sich, dass es ihn störte.
    «Charlotte hat die Ecole Nationale d’Administration in Paris absolviert», sagte Madame Lisette stolz, «unsere Eliteuniversität, mit Auszeichnung! Jetzt arbeitet sie für die Regierung. Sie verdient wirklich gut, sie hat alles, was man sich wünscht.» Madame Lisette senkte die Stimme, als Charlotte näher kam. «Aber - ich glaube, sie ist nicht glücklich.»
    Sie zog ihre Tochter am Arm zu Martin, Charlotte ließ es mit Nachsicht über sich ergehen. «Das ist Monsieur Martin, seit vielen Jahren ein Freund von Gaston ... und Caroline - und von uns natürlich auch. Du warst nie hier, wenn er zu Besuch war? Wirklich schade. Wir kennen ihn genauso lange wie Caroline und Gaston. Er ist Weinhändler, in Deutschland. Er war von Anfang an dabei, schon als Gaston das erste Mal zu uns kam.»
    Martin nickte freundlich, und Madame Lisette lächelte ihn dankbar an, ihre Tochter hingegen blieb auf misstrauischer Distanz.
    «Wir haben damals in der Küche unseren Wein getrunken, natürlich war er einfacher als der von Gaston, aber gut war er auch, nicht wahr, Martin? Gaston war sich damals nicht sicher, ob er das Land kaufen sollte. Martin, Sie waren auf Anhieb von unserem Wein überzeugt - er hat mehr daran geschnüffelt als ihn getrunken und Gaston gut zugeredet», sagte sie Charlotte zugewandt und tätschelte Martins Arm.
    «Haben Sie tatsächlich so eine gute Nase?»
    Martin erschrak über Charlottes Frage, denn er hatte sich ihr unmerklich zugeneigt, um ihren Duft aufzufangen. Die Frau roch verdammt gut, mehr nach sich selbst als nach Parfum. So sollte es sein.
    Madame Lisette antwortete ihrer Tochter: «Bestimmt hat er die, Charlotte.»
    Entnervt von so viel Lobhudelei, schob Charlotte ihre Mutter in Richtung Parkplatz. «Lass uns fahren. Caroline braucht uns im Haus, sieh mal, wer alles mitkommt.» Sie deutete auf die Wagenkolonne, die sich auf dem Parkplatz formierte.
    Sie wandte sich Martin zu, taxierte ihn fast abweisend. «Können wir jetzt endlich losfahren? Wo steht denn Ihr ... Mercedes?»
    Martin zog befremdet die Augenbrauen hoch. Weshalb dieser provokante Ton? Er blieb verbindlich: «Der Wagen steht weiter unten, ich hole ihn gern, dann brauchen Sie nicht so weit zu laufen. Übrigens fahre ich einen Citroen, Madame, da passt mehr rein.»
    «Wir kommen selbstverständlich mit. Ein bisschen Laufen schadet nicht», entgegnete Madame Lisette, verärgert über die Unfreundlichkeit ihrer Tochter.
    Nicht sehr entgegenkommend, diese Dame aus Paris, dachte Martin, während sie die Straße hinuntergingen. Politikerin, Karrierefrau, keine Kinder, geschieden, von solchen Frauen hielt man sich besser fern. Doch er konnte sich irren, und sie sah verdammt gut aus. Nein, nicht denselben Fehler machen wie bei Petra. Verstohlen betrachtete er ihre Figur. Sie trug einen hellgrauen Trenchcoat, darunter einen eleganten schwarzen Hosenanzug, die Hose hatte die richtige Länge für die Schuhe mit dem halbhohen Absatz. Alles aus Paris, nicht nur die Garderobe, auch ihr Gang. Und diese Frau war so aufgewachsen wie Carolines Kinder, zwischen Weinbergen und Obstbäumen? Kaum zu glauben.
    Martin lenkte seinen alten, aber heiß geliebten Citroen vorbei an Weingärten mit unscheinbaren Kellereien, herrschaftlichen, von hohen Pappeln eingerahmten Châteaus, und überall waren Traktoren mit

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