Tod in Bordeaux
Kiesweg. «Er hat Steine für die Mauer an der Einfahrt geschleppt, den ganzen Vormittag lang, bis es ihm in den Rücken gefahren ist: Plötzlich erstarrte er mitten in der Bewegung. Ich sehe noch sein verdutztes Gesicht.» Der Anflug eines Lächelns huschte über ihr Gesicht. «Wir haben Doktor Lefevre gerufen, der hat ihm die Hose runtergezogen, draußen, direkt vor dem Haus, und ihm Spritzen in den Hintern gegeben. Später konnten wir ihn zumindest hinlegen.»
In diesem Moment erinnerte Caroline ein wenig an die Frau, die Martin kannte. Der Alltag schien ihr gut zu tun, die Menschen um sie herum, vor allem die Kinder.
«Näher als hier kannst du Gaston nicht sein, wenn es das ist, was dich bewegt. Ich kann dich verstehen», sagte Caroline. «Aber du änderst nichts, wenn du zu LaCroix fährst.» Doch sie kannte Martin und wusste, dass er so verbohrt wie ihr Mann war. Sie würde ihn nicht umstimmen können.
«Bitte, gib mir den Stadtplan, Caroline, oder zeichne mir zumindest den Weg auf. Es ist lange her, dass ich dort war. Warst du nach dem Unfall drüben?»
«Ja. Aber ich will den Ort niemals wieder sehen!»
Martin fand die Lagerhalle auf Anhieb. Er überquerte die Dordogne bei Branne, fuhr auf Landstraßen durch Entre-Deux-Mers, bis er auf die Rocade traf. Dort herrschte ausnahmsweise mal kein Stau, und so kam er ohne Probleme über die Garonne und nahm die erste Abfahrt hinter der Brücke. LaCroix war eines der großen Handelshäuser im Bordelais, wurde täglich beliefert und von internationalen Speditionen angefahren, daher war der Weg durch die Industrielandschaft trostloser Zweckbauten gut ausgeschildert.
LaCroix bot Weine aller Qualitätsstufen an, vom einfachen Bordeaux Rouge bis zum Premier Cru der Klasse A, Syrah aus Corbières, Chenin blanc von der Loire, roten und weißen Burgunder von der Cote d’Or und Gewürztraminer aus dem Elsass, Champagner und beste Sauternes. Zusätzlich kaufte LaCroix billigste Fassweine und füllte sie als Handelsmarken ab, vertrieb australische und südafrikanische Kreszenzen, Billigweine aus Rumänien und Spitzenqualität aus Argentinien.
Er parkte den Wagen in Sichtweite des Haupttors und schlenderte am Grundstück vorbei, das etwa zweihundert Meter der Straßenfront einnahm. Ein Zaun mit Stacheldraht umgab das Gelände, Rolltore sicherten die Einfahrten. Die erste war für Lastwagen bestimmt, vor der zweiten hielt gerade ein Tankzug. Der Pförtner trat aus seinem Glaskasten neben dem Tor, sprach mit dem Fahrer - dabei schob er den Unterkiefer vor wie ein nach Luft schnappender Karpfen - und ließ das Tor zurückgleiten. Der Tankwagen fuhr zum linken Teil der Halle und hielt neben einer Wand, aus der eine Reihe von Abfüllstutzen ragten. Der Pförtner scheuerte sich mit dem Rücken am Türrahmen seines Glaskastens wie ein Schwein am Pfosten und zog sich zurück.
Martin überlegte. Wenn er im Büro um eine Besichtigungserlaubnis nachsuchte, würde man ihm Fragen stellen. Was könnte er als Begründung Vorbringen? Dass er wissen wollte, wo sein bester Freund verunglückt war? Sie würden ihm sicherlich einen Tritt in den Hintern geben. Sollte er sich als Kunde ausgeben? Völlig absurd - wer will schon ein Lager besichtigen, und sein kleiner Weinhandel war viel zu unbedeutend für LaCroix, außerdem würde eine Führung ihn in seiner Bewegungsfreiheit einschränken. Er könnte sich als wichtiger Einkäufer ausgeben, doch ohne vorherige Kontaktaufnahme war das unglaubwürdig. Im besten Falle würde ihn der Exportleiter empfangen, ihm Preislisten in die Hand drücken und ihn wegschicken. Nein, er musste versuchen, ungesehen in die Halle zu kommen - nur wie? Als ein Lieferwagen das Gelände verließ, kam ihm die Idee.
Martin wartete an das Heck seines Wagens gelehnt. Es dauerte eine halbe Stunde, bis ein Sattelschlepper ihm die erwartete Gelegenheit bot. Vom Sattelschlepper verdeckt schlenderte Martin wie zufällig auf das Tor zu, der Pförtner konnte ihn unmöglich sehen. Es öffnete sich, der Sattelschlepper fuhr an, Martin ging in seinem Schatten bis in die Mitte des Hofes und bog dann nach rechts zur Laderampe ab, nahm die wenigen Stufen mit drei Sätzen und tauchte ein ins Halbdunkel der Halle.
Sie war riesig, und es herrschte perfekte Ordnung. Stahlregale mit großen Fächern, die auch mehrere beladene Paletten aufnehmen konnten, reichten bis unter die Decke.
Martin hörte einen Gabelstapler kommen und versteckte sich zwischen Kistenstapeln. Das Fahrzeug rollte
Weitere Kostenlose Bücher