Tod in Bordeaux
Nacht. Morgen fangen wir früh an. Caroline, bestell bitte die Erntehelfer für sechs Uhr, nein, besser für halb sechs. Wir lesen dann bis etwa zehn Uhr. Danach wird es zu warm, die Gärung könnte einsetzen. In der Garage können wir die Trauben gut lagern, da ist es schön kühl. In drei Tagen müssen wir fertig sein. Wir haben drei Gärbottiche, für jeden Tag einen. Sind die Helfer gut?»
«Ja», sagte Caroline. «Ich kenne die Leute, sie haben auch im letzten Jahr ihre Sache bestens gemacht. Die Kisten zum Lesen der Trauben sind alle sauber und trocken.»
Na endlich, dachte Martin, sie kehrt ins Leben zurück.
Auf dem Rückweg konnte Martin endlich vom Diebstahl des Haut-Bourton, den Gaston ihm aufgenötigt hatte, berichten. «Hast du die beiden Flaschen in die Tüte mit dem Baguette gesteckt?», fragte er Caroline.
«Nein, ich weiß überhaupt nichts von diesem Wein. Gaston hat den Namen nie erwähnt.»
«Niemals? Merkwürdig.» Martin entdeckte eine Traube, die sich nicht gut entwickelt hatte, und wartete, ob Jean-Claude reagierte. Als er es nicht tat, schnitt er sie aus der Blätterwand und ließ sie auf den Boden fallen. «Ich habe den Wein probiert, wie Gaston es wollte, und ihn mit einem aus demselben Jahr verglichen, den ich noch im Keller hatte. Die Unterschiede sind gravierend. Ich weiß nicht, wie oft ich angerufen habe, bis sich dieser angebliche Schwager gemeldet hat. Ich habe seine Stimme noch nie gehört.»
«Das kann keiner von uns gewesen sein», meinte Caroline.
«Das ist ja das Problem», sagte Martin, «ich war so erschüttert von dem, was der Mann sagte, dass mir gar nicht in den Sinn kam, dass Gaston gar keinen Schwager hat. Und später war ich mir nicht mehr sicher. Einen Hausschlüssel hat sonst keiner?»
Caroline sah Martin ängstlich an. «Nur die Nachbarn, aber auf die ist Verlass.»
«Vielleicht einer der Verbrecher, die den Einbruch ausbaldowert haben», meinte Jean-Claude.
«Die werden so dumm sein und ans Telefon gehen. Nein, es muss jemand anders gewesen sein, aber wer?»
Kapitel 4
Die Erntehelfer kamen schon vor dem Morgengrauen, doch mit der Lese wurde gewartet, bis der Tau auf den Trauben getrocknet war. Jean-Claude und Martin arbeiteten Hand in Hand, als hätten sie jahrelang nichts anderes getan, nur die Kreuzschmerzen verleideten Martin die Arbeit. Wenn Jean-Claude sich abwandte, ruderte er mit den Armen, krümmte sich und ließ den Oberkörper pendeln. Zu allem Unglück war es in der Morgenfrühe kalt; das war gut für die Trauben, damit sie nicht weiter reiften und die Gärung nicht unkontrolliert einsetzte, für seinen Rücken jedoch war es eine Quälerei. Bis zehn Uhr waren für diesen Tag alle reifen Trauben geerntet, lagen in flachen Kisten in der Garage, und Caroline entließ die Helfer bis zum nächsten Morgen.
Als sie nach dem Mittagessen die Arbeit für den nächsten Tag besprachen, stand Martin unvermittelt auf. «Caroline, vielleicht kann heute Nachmittag jemand anders die Lesekisten reinigen. Ich fahre zu LaCroix!»
Sie zuckte zusammen und blickte ihn entgeistert an.
«Ihr braucht mich heute nicht mehr. Ich muss mir das Lager ansehen. Ich will wissen, wo und wie Gaston umgekommen ist. Ich komme hier an, und die Beerdigung ist vorbei. Gut, das war meine Schuld. Aber Gaston? Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit...», Martin ging zum Fenster und blickte auf die Einfahrt, «... seit er da draußen meinen Wagen beladen hat. Ich habe das Gefühl, er kommt jeden Moment rein, sagt etwas, holt sich was zu trinken ... Aber er ist nicht mehr da, und er kommt auch nie wieder. Ich begreife es nicht. Und deshalb muss ich zu LaCroix! Versteht ihr das nicht?» Um seinen Entschluss zu unterstreichen, trank er seinen Kaffee im Stehen.
Caroline schüttelte verständnislos den Kopf. «Du brauchst Ruhe, Martin. Du rast zwischen Deutschland und Bordeaux hin und her, kümmerst dich um alles - für deinen Rücken wäre es besser, wenn du eine Pause einlegen würdest.»
«Was ist mit seinem Rücken?», fragte Jean-Claude. «Ist die Arbeit zu anstrengend?» Er grinste anzüglich. «Wirst alt, was? Ich rate dir, heirate, bevor es zu spät ist.»
«Kein schlechter Gedanke», sagte Martin abweisend. «Ich denke bei Gelegenheit darüber nach.»
«Er hat sich verhoben, damals, als wir das Haus umgebaut haben», versuchte Caroline zu vermitteln. Eine Verstimmung zwischen den beiden Männern war das Letzte, was sie brauchen konnte. Sie ging zum Fenster und blickte auf den
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