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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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vorbei, er sah das dunkle Gesicht des Fahrers. Ein Marokkaner wahrscheinlich oder ein Algerier? Wahrscheinlich beschäftigen sie nur Nordafrikaner, dachte er, erinnerte sich an den Arbeiter, der seit Gastons Tod verschwunden war. Der Gabelstapler verschwand in der Tiefe der Halle, kam mit einer Palette Weinkartons zurück und fuhr zur Rampe.
    Martin lief die Reihen der Regale ab - vielleicht gab es einen Hinweis, irgendein Zeichen, eine Spur, von der er allerdings nicht wusste, wie sie aussehen könnte. Wo war Gaston verunglückt? Besondere Aufmerksamkeit schenkte Martin den Holzkisten. Berühmte Namen waren darunter: Chantemerle, Cheval-Blanc, Latour und Rothschild, Figeac und Cos-d’Estournel, Pichon-Longueville und d’Yquem. Den meisten Namen allerdings war er bislang nirgendwo begegnet, kein Wunder, wenn 12000 Winzer ‹Bordeaux› als Ursprungsgebiet ihrer Weine aufs Etikett schreiben. Er hörte ein Geräusch und erschrak, aber er sah niemanden.
    Mitten in dem Labyrinth der Gänge stutzte er. Rechts war eines der Fächer zu ebener Erde fast vollständig ausgeräumt, nur ganz hinten stand ein Kistenstapel, in eine durchsichtige Folie gewickelt. An einer Stelle hing sie herunter, dahinter klaffte ein Loch, eine Kiste fehlte. Martin trat näher. Die Kisten aus Kiefernholz trugen keinen Namen, weder an den Seiten noch vorn oder hinten. So packte niemand, es war verschenkte Werbefläche. War das Absicht? Am Boden davor lagen große Holzsplitter und Scherben - sicher von einer runtergefallenen Kiste, dachte Martin und bückte sich.
    Ein stechender Schmerz fuhr ihm ins Kreuz, und er zuckte zusammen. Hoffentlich überstehe ich die Ernte, schoss es ihm durch den Kopf, als er sich langsam aufrichtete und sich dabei an dem Stapel abstützte. So ging es nicht weiter, er musste was für seinen Rücken tun, irgendeinen Sport, Yoga vielleicht oder Schwimmen, obwohl er diese Art körperlicher Ertüchtigung, noch dazu im kalten Wasser, zutiefst verabscheute.
    Im Gang war alles ruhig, niemand in der Nähe, es ging auf den Feierabend zu. Martin wollte sich wieder den Brettern zuwenden, als sein Blick auf wirre Linien mitten im Gang fiel, Kreidestriche ohne Sinn und Verstand, sie waren im Halbdunkel kaum sichtbar und von Reifenspuren verwischt. Was war das für ein Gekritzel? Markierungen auf keinen Fall, denn alle Regale trugen Schilder mit einem Code. Erst als Martin die Striche im Geist miteinander verband, fügten sie sich zu einem Bild zusammen, das einen Sinn ergab. Ihm sträubten sich die Haare.
    Es waren die Umrisse einer liegenden Gestalt, die Arme auf beiden Seiten des Kopfes wie zum Schutz in die Höhe gerissen, ein Bein angezogen, eines ausgestreckt. Neben dem Kopf war ein dunkler Fleck auf dem Zement.
    Martin schluckte, ihm wurde übel, er wollte den Blick von der makabren Zeichnung abwenden, konnte es aber nicht. Hier war Gaston gestorben. Ihm war, als sähe er den Toten vor sich liegen. Mit Gewalt musste er sich von der grauenhaften Vorstellung losreißen. Erschüttert wandte er sich ab und lehnte sich tief atmend an einen Stahlpfosten. Dann fiel ihm der Grund seines Hierseins wieder ein, und er hockte sich erneut vor den Stapel und untersuchte die Splitter und Bretter. Er musste sich zwingen, sich nicht nach der Zeichnung umzublicken.
    Auf einem gespaltenen Brett fand er eine Hälfte eines Wappens und den halbierten Namen eines Château. Vorsichtig entfernte er die Glassplitter von dem dazu passenden Teil und setzte die Hälften zusammen. Was er sah, überraschte ihn nicht mehr; es war, als hätte er damit gerechnet: ‹Château Haut-Bourton›.
    Der Schriftzug und das Wappen, das sich ein reicher Bürger vor zweihundert Jahren hatte entwerfen lassen, um sich zu adeln, entsprachen dem auf den Etiketten der Flaschen, die Gaston ihm gegeben hatte, und denen aus seinem Keller. War es das, was Gaston hier gesucht hatte?
    Etwas an dem Schriftzug irritierte ihn. Er fuhr mit dem Finger darüber. Der Schriftzug war aufgedruckt - die Kiste in seinem Keller, war die nicht mit einem Prägestempel bearbeitet worden? Eine kostspielige und bei bekannten Châteaus durchaus übliche Methode. An einer Scherbe hing der Rest des Etiketts: Jahrgang 1989.
    Was dieser Fund bedeutete, darüber konnte er später nachdenken. Er fand eine Zeitung und schlug alles darin ein.
    Dann untersuchte er noch einmal den Stapel. An einer Seite klebte normalerweise eine Plastikhülle für die Frachtdokumente. Genauso war es.
    Er zog eine Kopie der

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