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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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weg.»
    «Augenblick.» Martins Handy piepste und vibrierte in der Brusttasche seiner Drillichjacke. Frau Schnor war wieder dran. Eine Lieferung sei falsch, sie hätten den Wein nie bestellt, aber der Spediteur weigere sich, die Palette wieder aufzuladen.
    Martin gab ihr entsprechende Anweisungen und fragte nach Klüsters.
    «Der ist wie ausgewechselt», beruhigte ihn Frau Schnor. «Er lässt mich keine Minute aus den Augen. Aber leider geht das Geschäft nicht so gut.» Sie nannte ihm die Verkaufszahlen der vergangenen Woche. «Wenn Sie einen oder zwei Tage länger brauchen sollten - bei der Flaute schaffen wir das ohne Sie.»
    Jean-Claude war mittlerweile ins Haus zurückgegangen, Martin legte eine Kette vor die Garagentür, denn das Schloss war noch nicht repariert worden, und schlenderte den Pfad entlang, der von Gastons Grundstück durch die Weinberge führte. Nach der Auseinandersetzung mit Jean-Claude brauchte er ein bisschen Ruhe. Nach einigen Schritten blieb er stehen und sah sich um.
    Merlot war überall geerntet, Cabernet Sauvignon hing noch an den Rebstöcken, ihm fehlten noch einige Tage Sonne. Cabernet Franc war in den letzten Jahren aus den Weinbergen rings um Saint-Émilion zunehmend verschwunden - stattdessen war mehr Merlot angebaut worden, der dem Wein Eleganz und Süße gab, einen fruchtigen Kirschgeschmack, dazu den Duft nach Früchtekuchen. Außerdem machte ein höherer Merlot-Anteil den Bordeaux früher trinkreif, denn auch Weinkenner wollten nicht mehr zehn Jahre oder länger warten, bis sie ihren Wein genießen konnten.
    Von weitem sah Martin das Haus der Nachbarn. Er beschloss, ihnen einen Besuch abzustatten. Seit der Beerdigung hatte er sie nicht mehr gesehen.
    Als er näher kam, bemerkte er, dass Madame Lisette im Garten Chrysanthemen schnitt. Der üppige gelbe Strauß in ihrem Arm machte sie um Jahre jünger. Ihr Gesicht war vom langen Sommer tief gebräunt und strahlte. Ihre Mundwinkel zeigten trotz eines Lebens voller Arbeit aufwärts. Als Martin herankam, schaute sie halb belustigt, halb melancholisch über die Rebstöcke, die rings um ihr Haus wuchsen.
    «Recht wenig ist uns geblieben, Monsieur Martin, ein einziger Hektar. Manchmal bin ich traurig, dass wir verkauft haben - der Wein war auch unser Leben. Aber den wunderbaren Wein, den Gaston gemacht hat - das hätten wir nicht gekonnt. Zu unserer Zeit machte man alles anders, traditionell, würden Sie sagen. Jerome und ich sind jetzt bedeutungslos. Es ist gleichgültig, ob es Frühling ist oder Herbst, ob die Reben geschnitten oder aufgebunden werden müssen. Wir gehören nicht mehr dazu und haben nur noch wenig Wein im Keller, von jedem Jahr ein Fass -Sie müssen ihn unbedingt probieren -, und unser Gemüse, die Blumen, die Obstbäume. Meine Tochter meint, wir sollten in die Stadt ziehen. Aber Sie sehen ja selbst, dass es ihr nicht bekommt. Am liebsten ist sie allein. Das war früher anders. Und da macht sie so einen unmöglichen Vorschlag. Unsere Freunde leben alle hier, deshalb bleiben wir. Städte, die werden doch nur von Verrückten bewohnt, oder? Ich müsste in den Blumenladen, wenn ich solche Chrysanthemen haben wollte.» Sie hielt Martin das Bouquet hin.
    Der Mann, der eine solche Frau geheiratet hat, muss ein Glückspilz sein, dachte Martin. Sie ist früher bestimmt sehr hübsch gewesen. So wie Charlotte heute. Schade nur, dass sie nicht so dachte wie ihre Mutter, seufzte er innerlich.
    «Wie schön, dass Sie bei der vielen Arbeit auch mal bei uns vorbeischauen», fuhr Madame Lisette fort. «Sie sind stets willkommen. Wie geht es drüben?»
    Während Martin von der schlechten Stimmung im Hause erzählte, folgte er Madame Lisette, die einen Eimer mit Wasser füllte und die Blumen hineinstellte.
    Sie legte die Blumenschere beiseite. «Da fällt mir ein. Kommen Sie rein, bitte, mein Mann will dringend mit Ihnen sprechen. Ich glaube, er möchte etwas loswerden.» Sie öffnete die Haustür und zeigte Martin den Weg. «Ach, ich vergaß, Sie kennen sich aus. Kommen Sie in die Küche -oh, Charlotte!»
    Ihre Tochter stand an dem alten, gescheuerten Küchentisch und rieb eine zerteilte Wildente mit Marinade ein. Ringsherum standen die Zutaten: trübes Olivenöl in einer Glaskaraffe, ein Honigtopf, ein paar Zweige Rosmarin und ein Häufchen Basilikumblätter. Verblüfft sah Martin, wie die so kühl wirkende Charlotte das Geflügel mit den Fingern einrieb, statt den Pinsel zu nehmen, und sich danach die Finger ableckte.
    «Sie kochen

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