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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Bichot klang entsetzt.
    «Wenn es das wäre, nein, aber, wie soll ich sagen ...» Martin fehlten die Worte. Wie sprach man auf Französisch über den Tod? In dieser Situation war er nie zuvor gewesen. Er rang sich zu einem Satz durch, von dem er annahm, dass er nicht pietätlos klang. Er sagte kurz: «Gaston Latroye können Sie nicht sprechen. Er lebt nicht mehr.»
    Bichot war bestürzt. Er starrte Martin ungläubig an, sein Mund klappte auf, unwillig schüttelte er den Kopf, als wolle er das Gehörte zurückweisen: «Tot? Latroye? Seit wann?»
    Martin wollte sich nicht in Erklärungen verrennen und rief Jean-Claude. Es war Sache des Bruders und nicht seine, darüber zu sprechen. Jean-Claude klärte den Winzer über die Umstände auf. Dabei ließ er nicht den geringsten Zweifel an einem Unfall aufkommen. Was Martin von LaCroix erzählt hatte, sparte er aus.
    Bichot brauchte eine Weile, um sich zu fassen. «Ein riesiger Verlust für uns alle. Aber wie schrecklich das für seine Frau ist, können wir kaum ermessen. Ich habe meine Frau vor drei Jahren verloren, bei einem Autounfall.» Er blickte zu Boden und scharrte mit dem Fuß in der hellbraunen Erde. «Wir kannten uns gut. Ich habe Monsieur Latroyes Arbeit mit großem Interesse verfolgt. Es hat mich fasziniert, wie jemand in so kurzer Zeit im Bordelais seinen Stil finden konnte. Und jetzt?»
    «Wie Sie sehen, machen wir weiter. Wir haben ja Monsieur Bongers.» Jean-Claude machte eine weit ausholende Geste: «Er hat das hier mit Gaston zusammen geschaffen. Martin war von Anfang an dabei. Keiner, außer meiner Schwägerin vielleicht, kennt Gastons Vorstellungen und seine Arbeitsweise besser als er. Sie haben damals zusammen diesen Weinberg ausgesucht. Offen gesagt, führt Monsieur Bongers das Kommando.»
    «Ach. Dann sind Sie der Freund aus Deutschland!» Bichot ergriff erfreut Martins Hand. «Gaston hat viel von Ihnen erzählt. Die Natur soll Sie mit einer phantastischen Nase ausgestattet haben, ein echter Grenouille sozusagen.»
    «Nicht sehr schmeichelhaft, mit einem Frauenmörder verglichen zu werden, wenn es auch nur ein literarischer ist.»
    «Pardon, ich dachte eher an die Nase als an die Exzesse des menschlichen Hirns.»
    «Das hört sich besser an», sagte Martin verbindlich. «Das Wichtigste über den Weinbau habe ich von Gaston gelernt, der Rest sind Übung, Natur und Gewohnheit.» Es war Martin peinlich, dass Jean-Claude ihn vor Bichot derart lobte, während er in Wirklichkeit unsicher herumstolperte. Doch Bichot war einer der wirklich großen Winzer des Bordelais, und Martin war gespannt, ihn kennen zu lernen. «Können wir uns nachher drüben im Haus weiter unterhalten? Jean-Claude, was meinst du? Wir sind bestimmt in einer halben Stunde fertig.»
    Gastons Bruder pflichtete ihm bei. «Wir gehen dann sowieso rüber zum Frühstück. Caroline wird sich freuen, sie kann ein wenig Ablenkung vertragen.»
    Bichot war einverstanden, so konnte er auch den nötigen Kondolenzbesuch machen. Wenig später trafen sich die drei Männer in der Küche. Caroline drängte ihre Mutter, die jeden Besuch am liebsten vergraulte, aus dem Raum und ließ die Männer allein.
    Bichot hängte sein Sakko über die Lehne und setzte sich an den Küchentisch. Er machte weder den Eindruck eines Multimillionärs, der er zweifellos war, noch den des Besitzers eines der bekanntesten Châteaus des Bordelais. Bichot fragte Martin einiges zum Ausbau des Weins und ob er ihn später schönen und filtern wollte und kam dann zu dem Grund seines Besuchs:
    «Ich wollte Gaston um Hilfe bitten. Wir haben uns überraschend von einem unserer Önologen trennen müssen, von heute auf morgen. Sie können sich vorstellen, was das mitten in der Lese für uns bedeutet. Eine mittlere Katastrophe.»
    Martin hörte nur mit halbem Ohr hin, wie Bichot von seinen über die ganze Region verteilten Châteaus berichtete, von den zwei anderen Önologen, die er beschäftigte, die aber mit dem Wein von Grandville nicht so vertraut seien. Weshalb er den Mann fristlos entlassen hatte, behielt er für sich. Entweder hat er für die Konkurrenz gearbeitet oder Geheimnisse ausgeplaudert, vermutete Martin. Bichot hatte gehofft, dass Gaston ihn zumindest bei dieser Ernte beraten könne.
    Das alles war für Martin äußerst interessant, aber er hatte den Eindruck, dass der Mann ihm gegenüber mehr wusste, als er preisgab. Gaston und er mussten sich recht gut gekannt haben, denn Bichot war übergangslos zum Vornamen übergegangen.

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