Tod in Bordeaux
gern?», fragte er unvermittelt.
«Wenn man es nicht jeden Tag muss oder nur für sich allein, kann es Spaß machen.»
«Nehmen Sie Himbeeressig für die Marinade?»
«Ja, wieso? Kennen Sie das Rezept?» Erstaunt blickte sie auf. «Haben Sie das gerochen?»
«Ich nehme Feigenessig, probieren Sie den mal aus, und Feigen in Rotwein passen ausgezeichnet dazu.»
«Sie kochen auch?»
Martin hatte das Gefühl, dass es hier womöglich ein gemeinsames Thema gab, denn Charlotte reagierte nicht mehr ganz so spröde und abweisend. Er würde sie gerne langsam aus der Reserve locken. Aber hatte er nicht eigentlich Aufregung genug?
«Sie kommt in Paris leider selten zum Kochen», mischte sich ihre Mutter ein. «Ihr Beruf ist zu anstrengend. Sie ist jetzt eine Woche hier und hat sich kein bisschen erholt.»
«Maman! Muss das sein!» Charlotte blitzte ihre Mutter vorwurfsvoll an.
«Lass doch, Martin ist ein Freund des Hauses, wie Gaston. Er war oft bei uns, und ohne ihn wüssten sie drüben überhaupt nicht, was sie mit dem Pechant anfangen sollten. Caroline ist nicht ansprechbar, und Jean-Claude ist ein Intellektueller, aber kein Handwerker. Alles wäre hin, die Mühe von so vielen Jahren.» Sie wandte sich Martin zu. «Charlotte arbeitet im Außenministerium, sie ist Staatssekretärin ...»
«... Unterstaatssekretärin, Maman», korrigierte Charlotte gequält. Anscheinend war ihr die Unterhaltung bereits zu persönlich.
«Meinetwegen. Scheint ein fürchterlicher Beruf zu sein, wenn man dich hört. Dabei haben wir uns krumm gelegt, ihr die Ausbildung zu ermöglichen. Jetzt gefällt es ihr nicht mehr, sie findet es abscheulich. Oh, der Kaffee ist fertig.»
Charlotte drapierte derweil die Ententeile in einer feuerfesten Form auf Zwiebeln und gehackten Tomaten, streute die Basilikumblätter darüber und legte einen Zweig Rosmarin dazu, hockte sich vor den Backofen und schob die Schüssel hinein.
Martin betrachtete ihren Rücken und den gebeugten Nacken, der ihn schon am Abend nach der Beerdigung fasziniert hatte. In beigefarbenen Jeans und einem rosa Sweatshirt gefiel sie ihm besser als an jenem Abend, sie war weicher und freundlicher, hatte geradezu etwas Mädchenhaftes.
«In einer Stunde können wir essen», sagte sie und räumte den Tisch frei.
«Sie bleiben doch, Martin? Bitte.» Madame Lisettes Einladung war so herzlich gemeint, dass er unmöglich ablehnen konnte. Fragend sah er Charlotte an.
Schweigend gab sie ihr Einverständnis, ihn streifte der erste freundliche Blick, wohlmeinende Neugier gemischt mit Skepsis. Wenn sie kochte, schien sie ein anderer Mensch, nicht so kühl, distanziert und befehlsgewohnt, sondern wie eine Frau, die er selbst gern zum Essen eingeladen hätte. Bichot wollte zwei Einladungen für das Dinner auf Grandville schicken - vielleicht ergab sich später eine Gelegenheit, sie zu fragen, ob sie mitkommen wolle. Es würde klüger sein, damit bis nach dem Essen zu warten, mit vollem Magen waren die Menschen zugänglicher.
«Sie machen Außenpolitik?», fragte er, um die Unterhaltung zu beginnen.
«Ich mache keine Politik, ich gebe mir Mühe, die Politik anderer auszuführen, so gut es geht.» Charlotte setzte sich und trank einen Schluck Kaffee. «Ich kontrolliere, ob und wie Beschlüsse umgesetzt werden, ich verschaffe mir einen Überblick über unsere Partner im Ausland, über ihre Fähigkeiten, die Institutionen, Finanzen und so weiter.»
«Das klingt wie Geheimdienst.» Martin nahm sich vor, auf der Hut zu sein.
«Ist es nicht. Vielleicht ja, das eine oder andere Dossier wird von dort kommen, wer weiß. Ich beschäftige mich mit Entwicklungshilfe für afrikanische Länder, ein sehr undankbarer Job.»
«Wieso? Ist das nicht positiv? Man hilft, gibt Geld, bildet Leute aus, schafft Möglichkeiten, damit kommen die Leute aus dem Elend ...»
«Theoretisch ja. Wir geben ihnen 15 Millionen für Selbsthilfeprojekte und technische Hilfe, alles äußerst nachhaltig, wie es auf den Konferenzen so schön heißt, und dann verkaufen wir ihnen für 30 Millionen Waffen. Es hört sich extrem an, aber so ist es, das ist meine private Meinung», sagte sie mit einem bitteren Unterton. «Das habe ich früher nicht gewusst, und es waren nicht die Voraussetzungen, unter denen ich mich für diesen Beruf entschieden habe. Wir helfen den Ländern, auf die Beine zu kommen, dann legen wir sie rein, binden sie so fest in den Weltmarkt ein, dass sie sich überhaupt nicht mehr bewegen können. Geopolitik nennt
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