Tod in Bordeaux
anderen verglichen, die man bei ähnlichen Gelegenheiten gekostet hatte, und Garenne verlor das Interesse am Thema. Er wandte sich wieder Petra zu. «Erzählen Sie von sich», forderte er sie auf.
O Gott, bitte keine PR-Geschichten, dachte Martin.
Glücklicherweise war die Aufforderung nicht sehr ernst gemeint, und Petras neuer Verehrer nutzte einen ihrer Sätze als Trampolin für seinen nächsten Monolog.
«In der PR-Branche arbeiten Sie, hochinteressant. Ich brauche für mein Château dringend eine fähige Persönlichkeit in Deutschland, die unsere Erfolge der Öffentlichkeit präsentiert. Ich glaube, Sie hätten dazu den nötigen Sachverstand. Wir müssen bei Gelegenheit ausführlich darüber sprechen.»
Garenne beugte sich vertraulich vor und starrte Petra in den Ausschnitt, als sei Martin gar nicht anwesend. Das Lächeln seiner Begleiterin war mittlerweile zur Fratze erstarrt. Sie gab sich keine Mühe, ihren Ärger zu verbergen.
Als zum Fleischgang der Grandville von 1967 gebracht wurde, ging ein Raunen durch den Saal. Garenne erzählte von seinem 67er, was das für ein kolossaler Jahrgang geworden war, der jetzt, nach drei Jahrzehnten, sein ganzes Potenzial offenbarte.
«Dreißig Jahre alt?» Petra staunte und schaute Garenne an, wie andere einen Ferrari auf der Straße bestaunten. «Hält er sich so lange?»
«Länger! Machen Sie mir die Freude, und besuchen Sie mich auf Haut-Bourton. Es wäre mir eine Ehre, ich werde Ihnen natürlich alles persönlich zeigen. Wenn Sie wollen, probieren wir auch einige meiner besten Jahrgänge.» Dabei schmachtete er Petra an, als könne er das Leben keinen Augenblick länger ohne sie ertragen.
«Mein Château wird bestimmt auch Ihren Begleiter interessieren, unseren angehenden Winzer, nicht wahr, mein Lieber? Ich darf Sie doch Martin nennen?» Garennes Grinsen reichte vom einen Ohr zum anderen, aber seine Augen blickten Martin kalt an.
«Haut-Bourton ist seit Generationen im Besitz unserer Familie. Wir sind weltbekannt für unseren Grand Cru. Das Château gehört eigentlich in die Gruppe der Premiers Crus, mit Lafite Rothschild, Latour und Margaux, Sie sind da sicherlich mit mir einer Meinung, Martin. Die Klassifizierung von 1855, die uns als Second Cru einstufte, ist ungerecht und längst überholt. Man hat sie zwar 1975 revidiert, aber es hat sich nichts geändert. Das Establishment will keine neuen Gesichter, man will unter sich bleiben. Dabei ist mein Wein eine Klasse für sich. Sie können sich nicht vorstellen, Madame Petra, wie verkrustet die Strukturen sind, wir leben fast noch im Mittelalter. Nichts bewegt sich hier, wer etwas erneuern will, landet auf dem Schafott.»
Petra machte ihr gekonnt verblüfftes Gesicht. Martin wusste leider zu gut, dass sie sich bislang weder für Klassifizierungen noch für Wein begeistert hatte. Sie hatte zwar leidlich guten Geschmack, wenn sie wollte, aber Wein beurteilte sie eher nach dem Etikett und die Winzer nach der Häufigkeit, mit der über sie geschrieben wurde.
Garenne hatte sein Thema gefunden. «Bordeaux braucht eine Generalüberholung. Die Negociants brauchen mehr Einfluss. Man müsste diesem verknöcherten Club von Weinproduzenten einen Schock versetzen, den sie bis in die Knochen spüren. Es gibt viel zu viele Châteaus, die diesen Namen nicht verdienen. Wir brauchen Marken, gleich bleibend gute Qualität und stabile Preise. Das können kleine Winzer wie ihr verstorbener Freund nicht leisten.» Martin traf ein mitleidig herablassender Seitenblick.
Gastons Wein des Vorjahres war besser bewertet worden als Garennes Haut-Bourton, aber Martin schwieg. Ohne sein Zutun war er dort angelangt, wo er ihn haben wollte.
«Sie als renommierter Winzer werden den Vorteil, den Sie mit Ihrem Château haben, nicht aus der Hand geben.» Der Chefredakteur bestätigte Martins Überlegungen mit einem Nicken.
«Richtig, um die Großen, die weltweit Standards setzen, um die geht es nicht, Gevrey-Chambertin kennt jeder, unsere Appellation Margaux, Ribera del Duero, obwohl die noch jede Eleganz vermissen lassen, Spaniens Härte eben, aber die Italiener ... die brauchen wir, um die extremen Unterschiede in der Qualität deutlich zu machen. Hier bei uns sind inzwischen sogar die Ränder der Autobahn mit Wein bestockt, gehört er da hin? Auch diesen Fusel nennt man Bordeaux, und er zerstört unseren Ruf. Gleichzeitig müssen wir die Position des Handels stärken. Sie sind Händler, mein lieber Martin, pflichten Sie mir bei, es liegt in
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