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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Überraschung. Einen Moment lang rang er nach Fassung. Sie hatte er hier am wenigsten erwartet, und schon gar nicht am Arm des Präfekten. Da wäre er mit seiner Einladung böse auf den Bauch gefallen. Wer kann schon mit so jemandem konkurrieren, dachte er resignierend. Wahrscheinlich waren es Partei- oder Jugendfreunde.
    Ganz im Gegensatz zu der sonst so zurückhaltenden und mürrischen Art, die Martin von ihr kannte, plauderte Charlotte angeregt mit anderen Paaren, die man ihr vorstellte, zeigte sich charmant, selbstbewusst und offen, so als sei sie in diesem Kreis zu Hause. Erstaunlich für die Tochter eines kleinen, unbedeutenden Winzers, dachte Martin. War das der Einfluss der Politik oder der des Pariser Lebens?
    Sie sah hinreißend aus. Am liebsten wäre er stehen geblieben, so fasziniert war er von ihrem Anblick. Unter ihrem schwarzen Abendmantel trug sie ein burgunderfarben schimmerndes Kleid, das die Schultern frei ließ. Es war vorn hoch geschlossen, auf dem Rücken so weit ausgeschnitten, dass es als gesellschaftlich akzeptabel durchgehen konnte, anders als das Kleid von Petra. Ihr hoch gestecktes, dunkelbraunes Haar entblößte den Nacken, was ihre Schlankheit betonte, und die schmalen goldenen Armreifen unterstrichen die leichte Bräunung ihrer Haut. Sie bewegte sich auf hohen Absätzen, als wäre sie nie im Leben durch schlammige Weinberge gewatet.
    Charlotte war einen Moment lang ebenso verblüfft über Martins Anwesenheit wie er über die ihre, doch sie hatte sich sofort wieder in der Gewalt und nickte ihm zu. Ihr zweiter Blick galt Petra. Ein Lidschlag reichte, um ihr Urteil zu fällen.
    «Dass alte Männer sich immer mit jungen Frauen schmücken müssen», mokierte sich Petra, denn der Auftritt des ungleichen Paares war nicht zu übersehen. «Die Typen bilden sich sonst was ein, dabei geht es solchen Frauen nur um ihr Geld. Lächerlich.»
    «Du hast sicher Recht. Bin gespannt, wo man uns hinsetzen wird.» Martin sah sich um.
    Wie gerufen erschien ein Ober, fragte nach dem Namen und geleitete sie durch einen großen, mit runden Tischen voll gestellten Raum zu ihren Plätzen. Vor jedem Gedeck stand die Menükarte neben mehreren Gläsern, davor das Kärtchen mit dem Namen. Bevor Petra entdecken konnte, dass sie mit «Madame Bongers» tituliert worden war, ließ es Martin verschwinden.
    Ein silberner Leuchter stand in der Mitte des Tisches, die Kerzen brannten, und ihr Schein wurde von den Spiegeln an den Wänden tausendfach reflektiert. Petras Augen wurden immer größer, sie war ihren Träumen ein Stück näher gekommen.
    Martin begrüßte die Gäste an ihrem Tisch: einen Chefredakteur mit Freundin, zwei Winzer von dritt- und viert-klassifizierten Châteaus mit ihren Ehefrauen und den stellvertretenden Direktor des Weinbauinstituts mit Gattin.
    Er saß neben der Freundin des Chefredakteurs, einer Rechtsanwältin, Petra war links von ihm platziert, die beiden Stühle daneben waren noch frei. Man bewunderte Gemälde und Gobelins, plauderte über die aktuelle Lese und kommentierte erwartungsvoll das Menü. Alle waren gespannt auf die Weine von Grandville. Welche Jahrgänge würde Bichot ihnen präsentieren? Martins Französischkenntnisse wurden allgemein bewundert, es sei ja erstaunlich, dass ein Deutscher nahezu akzentfrei spräche, wo Deutsch wegen seiner Kehllaute eigentlich ein wenig wie Arabisch klänge, ob es da Verbindungen gäbe?
    Martin reckte den Hals nach Charlotte, konnte sie aber nirgends entdecken. Er musste später eine Gelegenheit finden, mit ihr wenigstens ein paar Worte zu wechseln.
    Petra wollte sich gerade beschweren, dass Martin zu wenig übersetzte, als Bichot einen großen, kräftigen Mann und seine grazile, blonde Begleiterin persönlich an den Tisch begleitete. «Madame Rochais und Monsieur Garenne!»
    Das ist er also, dachte Martin. Die Herren erhoben sich und wussten nicht so recht, wohin mit den Händen, während Garenne die Damen begrüßte. Die Winzer kannten sich, das kräftige Händeschütteln wurde von jovialem Schulterklopfen begleitet, aber die Distanz blieb, ein Second Château wie Haut-Bourton war den Dritt- und Viertklassifizierten überlegen, daran ließ Garennes selbstzufriedene Miene keinen Zweifel. Ein Lebemann und ein Schurke - das war Martins erster Eindruck. Den Typ Mädchen neben ihm hatte er schon hundertmal gesehen, es gab ihn überall - sehr hübsch, sehr langbeinig, nur ein zu großer und zu roter Mund.
    Garennes Augen waren schnell. Sie tasteten jeden

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