Tod in Bordeaux
gespannt in der offenen Tür stehen und atmete leise. Warum hetzte diese Frau Caroline gegen ihn auf?
«Und dass Gaston ihm vertraut hat, das ist für dich Grund genug, dich hinter deiner Trauer zu verkriechen und ihm deinen Weinberg zu überlassen? Der gehört jetzt dir. Das sind deine Rebstöcke, deine Weine. Jedes Fass in der Garage gehört dir, jede Flasche. Das ist dein Geld. Mach dir das klar. Und das will er dir wegnehmen.»
«Das stimmt nicht. Wie kommst du nur darauf? Nur weil du ihn nicht leiden kannst.»
«Er ist ein Deutscher, ein Fremder, der sich hier eingeschlichen hat. Dreimal sind die Deutschen bei uns eingefallen, wir kein einziges Mal bei ihnen ...»
Vergiss Napoleon nicht, du Schreckschraube, dachte Martin. Er musste sich zusammenreißen, um seine Wut zu unterdrücken und nicht in die Küche zu stürzen. Doch er wollte unbedingt hören, was Carolines Mutter noch alles so von sich geben würde.
«... er ist mir zu neugierig, überall steckt er seine Nase rein. Neulich nachts wollte er sogar die Buchhaltung sehen. Er glaubt, dass du ihm vertraust und er so leichtes Spiel mit dir hat. Die arme, leidende Witwe, die einen berühmten Weinberg besitzt...»
Als Carolines Mutter eine Pause machte, hörte Martin die Kinder im ersten Stock rumoren. Er dachte schon, das Gespräch sei zu Ende, als sie weitersprach. Überrascht horchte Martin auf.
«Das Angebot der Bank ist gut, du solltest es akzeptieren, ein besseres kriegst du nie. Es ist ideal für dich. Du bist mit einem Schlag deine Schulden los, bekommst noch viel Geld dazu, sogar die unverkauften Weine werden sie dir abnehmen. Das ist mehr als großzügig, natürlich nicht zu dem Preis, den du sonst erzielen würdest, aber dafür alles auf einmal. Und dann kommt ihr zu uns nach Saint-Chinian zurück, du und die Kinder. Das ist hier nichts für dich, Bordeaux hat euch Unglück gebracht. Was habt ihr vom Leben gehabt? Nichts als Arbeit.»
«Du vergisst die wunderbare Zeit, die wir miteinander verbracht haben. Er hat mich nicht verlassen, er ist verunglückt - oder er wurde umgebracht, was weiß ich.» Caroline schien den Tränen nahe, und ihr Einwurf war zu zaghaft, als dass er ihre Mutter hätte aufhalten können.
«Siehst du, da haben wir es wieder. Gaston ermordet? So ein Quatsch. Euer angeblicher Freund macht alle Leute damit rebellisch. Der will seine große Story daraus machen, um den Wein aufzuwerten. Er verkauft ihn doch in Deutschland, oder? Je länger alles breit getreten wird, desto besser für ihn. Darum hält er an diesem Unsinn fest. Kapierst du es endlich? Niemandem darfst du trauen. Jeder nutzt nur seinen Vorteil, mein Kind. Du glaubst doch nicht, dass dieser Mann das aus Nächstenliebe tut?»
«Wie kannst du nur so schlecht von ihm denken?» Martin hörte Entsetzen in Carolines Stimme.
«Ich denke in erster Linie an die Kinder und an dich. Das Angebot von Monsieur Fleury ist fair. Du kannst wieder ruhig schlafen, dieser Kerl ist aus dem Haus, brauchst dich nicht mehr um den Wein zu kümmern, das machen dann seine Leute. Ihr kommt wieder zu uns. Die Kinder werden sich schnell einleben und ihren Vater bald vergessen.»
«Weshalb sollten sie ihn vergessen?», fragte Caroline und schnäuzte sich.
«Ganz einfach, damit sie nicht mehr leiden müssen.»
«Aber das ist doch normal, wenn jemand stirbt. Ich leide doch auch. Er war ein wunderbarer Vater, ein wunderbarer Mann, ich habe ihn geliebt!» Caroline schluchzte laut auf. Mehr Kraft zum Protestieren hatte sie nicht.
«Es ist besser, wenn dein Freund Martin nichts von dem Angebot der Bank erfährt. Stell ihn vor vollendete Tatsachen, und lass Monsieur Fleury aus dem Spiel. Dieser Monsieur Martin erfährt es noch früh genug. Lass ihn weiter wursteln, er wird nichts verderben, schenke ihm eine Kiste Wein, wenn es so weit ist...»
Martin schlug die Haustür mit lautem Krachen zu, er hatte die Schnauze voll. Sofort erstarb das Gespräch in der Küche. Polternd stieg er die Treppe hinauf und zog das Bettzeug ab, brachte es zusammen mit Petras Koffer nach unten und drapierte alles so, dass sie ihre Ausquartierung unmöglich übersehen konnte. Morgen lagen tausend Kilometer Autobahn vor ihm, da war kein Platz mehr für Artigkeiten. Heute Nacht würde er gut schlafen, trotz allem, was Carolines Mutter gesagt hatte. Es war ihm sofort klar gewesen, dass sie ihn nicht ausstehen konnte, aber dass sie ihn so hasste? Er erinnerte sich an den Namen, den sie erwähnt hatte: Fleury. War das
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