Tod in Bordeaux
nicht der Banker vom Nebentisch, dem Garenne auf Grandville mit dem idiotischen Trinkspruch zugeprostet hatte?
Kapitel 10
Es war noch dunkel, als Martin Caroline am nächsten Morgen weckte. Sie bedankte sich überschwänglich für seine Hilfe, umarmte ihn fest, wich aber seinem Blick aus.
«Mutter lässt sich entschuldigen. Sie wollte sich auch bei dir bedanken, für alles, was du für uns getan hast. Sie meint, du seist ein großartiger Mensch, sie ist sehr beeindruckt von dir.» Caroline blickte zu Boden und biss sich auf die Unterlippe.
«Wie nett von ihr», sagte Martin tonlos. Wozu Caroline noch tiefer in Gewissenskonflikte stürzen. Er war froh, nicht in ihrer Haut zu stecken. Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, hatte einer von beiden gelogen. «Ruf mich sofort an, falls du mich brauchen solltest. Monsieur Jerome ist informiert, er will täglich herkommen. Wann genau ich wieder hier bin, kann ich jetzt noch nicht sagen, auf jeden Fall rechtzeitig zum Abstich, wahrscheinlich schon vorher», sagte er mit einem Seitenblick auf Petra, die neben ihm stand. In ihrer Gegenwart würde er sich in Zukunft jedes Wort genau überlegen, denn von jetzt an hörte Garenne mit. Ihre Anwesenheit irritierte ihn, außerdem haftete ein Geruch an ihr, den ihr Parfum nicht überdeckte.
Kaum saßen sie im Wagen, schaltete er das Gebläse an.
«Mach bitte die Lüftung aus, es zieht», sagte Petra sofort.
«Die bleibt an! Hat Garenne Schäferhunde?», fragte Martin.
«Schäferhunde?»
«Ja, Schäferhunde!»
«Wieso?»
«Du riechst danach.»
«Ich? Nach Schäferhunden? Wieso?»
«Ja. Hat er nun welche oder nicht?»
«Du mit deiner widerlichen Nase. Ja, wenn es dich beruhigt. Drei.» Und nach einer kurzen Pause sagte sie gereizt: «Das kannst du gar nicht gerochen haben, du hast es gewusst.»
Es sollte von oben herab klingen, aber Martin merkte, dass sie verunsichert war. Ihm war es recht. «Der Geruch hängt in deinem Haar, du hast es nicht gewaschen», bemerkte er gelassen, und statt in Saint-Émilion die Landstraße direkt nach Libourne zu nehmen, bog er nach links zum Friedhof ab. Er wollte Gastons Grab noch einen Besuch abstatten. «Ich gehe allein», sagte er und stieg aus.
Jetzt, nach Sonnenaufgang, mit dem Blick über die teilweise uralten Gräber, über das mittelalterliche Städtchen und den weiten Horizont jenseits der Weinberge, sah er, was man Gaston alles genommen hatte.
Auf dem Grab seines toten Freundes wuchsen Efeu und Rosen. Kein Wein. In der Garage hatte er sich Gaston näher gefühlt. Nächstes Frühjahr würde er einen Weinstock von Gastons Weinberg hierher verpflanzen, einen Merlot, damit Gaston sich zu Hause fühlen konnte.
Als Martin zum Wagen zurückging, fühlte er sich entsetzlich einsam. Gaston hatte ihm das Leben leichter gemacht. Ohne ihn wäre das alltägliche Einerlei von Steuererklärung, Preislisten und Zolldokumenten unerträglich gewesen. Und jetzt? Martin war traurig, verzweifelt und wütend. Außerdem graute ihm vor dem Tag mit Petra.
Aber sie schafften es, unterwegs jedes hässliche Wort zu vermeiden, denn niemand wollte mehr etwas vom anderen. Martin brachte es sogar über sich, sachlich die Chancen von Garennes Weinen in Deutschland zu erörtern und Petra einige Ansprechpartner für ihre Öffentlichkeitsarbeit zu nennen. Über das, was sie beide von nun an trennte, verloren sie kein Wort. Als sie gegen zehn Uhr abends in Frankfurt eintrafen, war Martin erleichtert, die letzte gemeinsame Reise mit einigem Anstand hinter sich gebracht zu haben. Und er war sicher, dass ihm dieses Mal kein silberner BMW gefolgt war. Er setzte Petra vor ihrem Apartment ab und nahm die Abkürzung durch die Neustadt zu seiner Wohnung.
Im Küchenschrank waren Spaghetti und ein Blue Stilton. Den feinen Schimmelkäse löste er in Sahne auf, gab gerösteten Knoblauch und die gekochten Nudeln hinein, ein wenig Joghurt hinzu und rieb einen Pecorino darüber. Der Salat zum Essen jedoch fehlte ihm sehr. Er trank einen kräftigen, goldgelben Vermentino, der viel von der ligurischen Sonne in sich aufgenommen hatte, räumte seine Reisetasche aus, warf die Waschmaschine an und duschte lange. Aber das, was Carolines Mutter über ihn gesagt hatte, ging nicht ab, es saß unter der Haut.
Am nächsten Morgen war Martin lange vor Frau Schnor und Herrn Klüsters im Laden. Seine beiden Mitarbeiter hatten ganze Arbeit geleistet. Martin vermutete, dass Frau Schnors Freundin, Ilse Siebeck, nachmittags ausgeholfen hatte,
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