Tod in Bordeaux
Betätigungsfeld.»
Das hoffe ich dringend, dachte Martin, dem Garennes Hang zum Pathos entsetzlich auf die Nerven ging.
«Die Gefilde des Weins umspannen die Welt.» Garenne breitete die Arme aus. «Sie reichen von Argentinien bis Neuseeland. Das Epizentrum allerdings, und darauf sind wir zu Recht stolz, liegt bei uns in Bordeaux, seit Jahrhunderten. Weshalb sollte es da nicht auch für Sie eine Nische geben?» Garenne öffnete einladend die Hände, setzte dann aber ein sorgenvolles Gesicht auf. «Was Sie jedoch Natur nennen, ist für uns Abhängigkeit, Schicksal kann man sagen. Ein Hagelschauer - und ich bin ein armer Mann. Fünfhundert Meter weiter hingegen freut man sich über die beste Ernte des Jahrzehnts. Das ist wie in der Lotterie.»
«Sie übertreiben ...»
«Durchaus nicht. Wir wollen unsere Schäden ersetzt bekommen, und Sie wiederum leben davon, dass Sie nichts rausrücken. Dieser Widerspruch ist unauflösbar. Also kaufe ich am besten gleich Versicherungsaktien.» Garenne war der Einzige, der über diesen müden Witz lachte.
Weshalb schwadroniert er so viel?, fragte sich Martin. Er beobachtete Garenne aufmerksam und hatte den Eindruck, dass er versuchte, Zeit zu gewinnen. Wenn er geplant haben sollte, ihn auf seinem Château in Schwierigkeiten zu bringen, so war ihm jetzt die Tour vermasselt.
Garenne legte dem Kommissar in gespielter Vertraulichkeit den Arm um die Schulter und führte ihn an eines der hohen Fenster, das den Blick nach hinten auf die Weingärten freigab. «Es wird mir ein Vergnügen sein, Sie in die Welt der großen Weine einzuführen - Sie befinden sich auf einem der berühmtesten Châteaux von Margaux, es gibt sowieso nur vierzehn.»
Er ging durch die Halle voran, durchschritt zwei Räume, deren Möbel und Dekoration aus dem 19. Jahrhundert Grivot zu Begeisterungsstürmen hinrissen, und öffnete schließlich eine Tür an der Rückseite des Renaissanceschlösschens.
Jenseits des Parkplatzes lag zwischen hohen Hecken versteckt der Zwinger. Drei Schäferhunde kamen ans Gitter, Garenne streckte die Hand hindurch und tätschelte sie. «Leider habe ich viel zu wenig Zeit, mich den Tieren zu widmen und sie richtig auszubilden. Sie sind viel zu wild. Denjenigen, der hier unberechtigt eindringt, zerfetzen sie!»
Er winkte seine Besucher zu einem ramponierten Geländewagen, der neben dem silbernen S-Klasse-Mercedes stand, mit dem Petra abgeholt worden war. Garenne hielt dem Kommissar die Beifahrertür auf, Martin durfte die rückwärtige Tür selbst öffnen und bekam einen Blick, der besagte: «Diese Runde mag an dich gehen, aber in der nächsten bist du k.o.»
Die Weingärten begannen wenige Meter hinter dem Château und zogen sich über viele Hektar bis zu einer weit entfernten Senke, wo eine späte Pflückerkolonne im Einsatz war. Die Wege waren in gutem Zustand, die Reben reichten so nah an die Fahrspur, dass sie beinahe an die Fenster schlugen. Die Blätter strahlten bereits in leuchtenden Herbstfarben, in tiefem Rot und Gelb.
«Dort in der Senke wird der letzte Cabernet Sauvignon geerntet, dann ist Schluss für dieses Jahr. Mit Cabernet Franc, mit dem wir unseren Cru in manchen Jahren verschneiden, sind wir fertig», sagte Garenne über die Schulter zu Martin. Dieser zog es vor, den Mund zu halten. «Merlot haben wir längst im Keller, der ist bereits vergoren.» Das war wieder an Grivot gerichtet.
In ihm hatte Garenne einen dankbaren Zuhörer, und so begann er seinen ausführlichen Vortrag über die Bodenbeschaffenheit der Weinberge, die Qualitätsverbesserung durch Bestockungsdichte und Mengenbegrenzung, die Vorzüge der Ernte von Hand im Gegensatz zu Erntemaschinen und wie er seine Teams für die Lese ausbildete. Besonderen Wert legte er auf die Feststellung, nur Franzosen zu beschäftigen, obwohl Ausländer billiger seien. «Das sind wir der Nation schuldig.» Grivot würdigte dies als äußerst nationalbewusst, er wandte sich um und nickte Martin begeistert zu. Der wusste nun überhaupt nicht, was für ein Gesicht er machen sollte, denn Garenne beobachtete ihn im Rückspiegel. Es beeindruckte ihn durchaus, wie viel Garenne von seinem Metier verstand, aber ihn störte, dass er alles so präsentierte, als hätte er persönlich den Weinbau erfunden. Martin musterte derweil verstohlen jeden Arbeiter, schaute prüfend in jedes Gesicht. Würde er hier die Lederjacke wieder sehen, die mit dem Korsen in seinen Laden gekommen war - oder den Totschläger? Mit Grivot an seiner Seite
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