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Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marek Krajewski
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an,
    unter ihren Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab. »Es
    geht mir nicht gut …«
    Anwaldt knöpfte sein Hemd zu, band die Krawatte
    und nahm sein Jackett. Er fächerte sich mit seinem Hut
    Luft zu.
    »Erinnern Sie sich an unser Gespräch und an meine
    Fragen? Vor wem wollten Sie mich warnen?«
    »Ich bitte Sie, quälen Sie mich nicht! Bitte kommen Sie
    übermorgen um dieselbe Zeit …« Sie zog ihre Knie bis unters Kinn – wie ein kleines hilfloses Mädchen. Dabei
    versuchte sie das krampfartige Zittern zu unterdrücken,
    das ihren ganzen Körper schüttelte.
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    »Und wenn ich übermorgen auch nichts erfahre? Wie
    kann ich wissen, dass du dich nicht wieder mit irgendei-
    nem Dreck voll gepumpt haben wirst?«
    »Sie haben keine Wahl …« Plötzlich sprang Lea auf und
    presste ihren Körper an seinen. »Übermorgen … über-
    morgen … Ich flehe Sie an …« (Der vertraute Tabakge-
    ruch, der warme Körper der Mutter, die vertriebenen Kinder …) In den Spiegeln an der Wand des Ateliers konnte Anwaldt ihre Umarmung betrachten. Er sah sein Gesicht.
    Aber er bemerkte nicht die Tränen, die dunkle Streifen in
    die Asche zeichneten, die immer noch seine Wangen be-
    deckte.

    Breslau, 8. Juli 1934.
    Viertel nach sieben abends

    Mocks Chauffeur Heinz Staub bremste sanft vor der Auf-
    fahrt zum Hauptbahnhof. Er wandte den Kopf und sah
    seinen Chef fragend an.
    »Bitte warten Sie einen Moment, Heinz. Wir steigen
    noch nicht aus.« Mock nahm ein Kuvert aus seiner Brief-
    tasche. Er entfaltete den mit kleinen, ungleichmäßigen
    Buchstaben bedeckten Briefbogen und las ihn zum wie-
    derholten Male aufmerksam durch:
    Lieber Herr Anwaldt, ich möchte, dass Sie zu Beginn
    Ihrer Ermittlungen völlige Klarheit über meine Vorge-
    hensweise haben und Ihnen hiermit versichern, dass ich
    niemals an Friedländers Schuld geglaubt habe, ebenso
    wenig wie die Gestapo. Doch sowohl die Gestapo als auch
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    ich brauchten Friedländer als Mörder. Mir hat es gehol-
    fen, einen Juden zu verhaften, und der Gestapo passte
    der Fall in ihre Propaganda. Daher machte die Gestapo
    Friedländer zum Sündenbock. Ich möchte jedoch etwas
    Ihrer Auffassung entgegensetzen, dass der Mörder der-
    jenige ist, der Friedländer ans Messer geliefert hat. Ge-
    wiss ist es nicht die Gestapo, die hinter dem Mord an
    der Baronesse steht. Zwar hat der verstorbene SA-
    Hauptsturmführer Walter Piontek mit großem Eifer die
    von Baron Wilhelm von Köpperlingk gelegte Fährte ver-
    folgt (nebenbei bemerkt: Letzterer hat viele Freunde bei
    der Gestapo), aber es wäre Unsinn, zu behaupten, dass
    die Geheimpolizei dieses Verbrechen begangen hätte,
    um einen harmlosen Tierhändler aus dem Weg zu räu-
    men – und die Sache dann zu Propagandazwecken aus-
    zuschlachten. Die Gestapo hätte eine Provokation ganz
    anderer Art benötigt, um das geplante Judenpogrom zu
    rechtfertigen. Dafür wäre wahrscheinlich ein gewichti-
    ger Nazifunktionär das richtige Opfer gewesen – die Ba-
    ronesse jedoch wohl kaum.
    Dass die Gestapo nicht hinter dem Verbrechen steckt,
    heißt allerdings nicht, dass diese Leute damit einverstan-
    den sind, den Fall wieder aufgerollt zu sehen. Wenn näm-
    lich jemand den wahren Mörder fände, würde die ganze
    groß angelegte Propagandaaktion in der englischen und
    französischen Presse der Lächerlichkeit preisgegeben. Ich
    möchte Sie vor diesen Menschen warnen – sie sind für
    ihre Rücksichtslosigkeit bekannt und könnten Sie jeder-
    zeit dazu zwingen, die begonnene Fahndung aufzugeben.
    Falls Sie – Gott behüte! – je in die Hände der Gestapo ge-
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    raten sollten, behaupten Sie mit aller Hartnäckigkeit, dass Sie für die Abwehr arbeiten und in Breslau ein Netz des
    polnischen Geheimdienstes installieren.
    Dieser Brief ist ein Vertrauensbeweis meinerseits. Der
    beste Vertrauensbeweis Ihrerseits wäre, ihn sofort zu ver-
    nichten.
    Hochachtungsvoll
    Eberhard Mock

    P. S. Ich fahre nach Soppot in den Urlaub. Während mei-
    ner Abwesenheit steht Ihnen unser Dienstwagen zur Ver-
    fügung.

    Mock steckte den Brief zurück in das Kuvert und übergab
    ihn dem Chauffeur. Dann stieg er schwer atmend aus
    dem Auto. Die erhitzte Luft lähmte seine Lungen, der
    Asphalt und die glühenden Mauern des Bahnhofs strahl-
    ten die Hitze des Tages ab und weit hinter der Stadt ver-
    zogen sich die schwachen Anzeichen des Gewitters. Der
    Kriminaldirektor trocknete sich mit dem Taschentuch
    die Stirn und schritt in Richtung Eingang, ohne auf

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