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Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marek Krajewski
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umspielten Leas blasses, kränk-
    liches Gesicht. Sie machte eine heftige Kopfbewegung,
    um sich aus Anwaldts Griff zu befreien, der Peignoir glitt von ihren Schultern und gab den Blick auf eine frische
    Einstichstelle an ihrem Arm frei. Anwaldt spürte plötz-
    lich, dass ihm seine heruntergebrannte Zigarette die Lip-
    pen verbrannte. Er spuckte sie in hohem Bogen in eine
    große Porzellanschale. Anwaldt zog Hut und Jackett aus
    und setzte sich Lea gegenüber. Einige Sonnenstrahlen
    drangen durch die Vorhänge und zeichneten Flecken auf
    die Wand.
    »Fräulein Friedländer, ich möchte mit Ihnen über Ih-
    ren Vater sprechen. Es sind nur ein paar Fragen.«
    Leas Kopf sank nach vorne. Sie hatte die Ellbogen auf
    ihre Schenkel gestützt, als ob sie in Schlaf gefallen wäre.
    »Wozu soll das noch gut sein? Wer sind Sie?« Anwaldt
    erriet mehr, was sie sagte.
    »Ich heiße Herbert Anwaldt und bin Privatdetektiv.
    Ich untersuche den Mordfall Marietta von der Malten.
    Mir ist bekannt, dass man Ihren Vater zu einem Schuld-
    bekenntnis gezwungen hat. Und ebenso ist mir auch all
    der Unsinn bekannt, den Doktor Weinsberg alias Wink-
    ler zu diesem Thema geäußert hat …«
    Er verstummte. Seine ausgetrocknete Kehle versagte
    ihm den Dienst. Er ging zu dem Waschbecken in der Ecke
    des Studios und trank gierig direkt aus dem Hahn. Dann
    nahm er wieder auf seinem Sessel Platz. Das Wasser
    schien sich sofort wieder durch seine Haut zu verflüchti-
    gen. Er wischte sich mit der flachen Hand den Schweiß
    ab und stellte die erste Frage:
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    »Jemand hat Ihren Vater denunziert. Vielleicht waren
    es sogar die Mörder selbst. Können Sie mir sagen, wem es
    genutzt hätte, aus Ihrem Vater einen Mörder zu ma-
    chen?«
    Lea strich sich langsam die Haare aus dem Gesicht. Sie
    schwieg.
    »Zweifelsohne Mock«, antwortete er sich selber. »Weil
    Mock den ›Mörder‹ gefunden hat, ist er nun Direktor. Al-
    lerdings liegt es nicht sehr nahe, Mock eine solche Naivi-
    tät zu unterstellen. Aber vielleicht sind die Mörder der
    Baronesse diejenigen, die ihn auf die falsche Spur der
    Familie Friedländer gebracht haben? Vielleicht Baron
    von Köpperlingk? Nein, das kommt aus ganz offensichtli-
    chen Gründen nicht in Frage. Kein Homosexueller ist im
    Stande, in einer Viertelstunde zwei Frauen zu vergewalti-
    gen. Immerhin hat der Baron die Wahrheit gesagt, als er
    angab, in Ihrem Geschäft könne man Skorpione erwer-
    ben. Das sieht nicht nach einem abgekarteten Spiel aus.
    Kurz: Derjenige, der Mock zu Ihrem Vater schickte, hat
    gewusst, dass Köpperlingk irgendwann bei Ihnen Skor-
    pione gekauft hat, und er muss auch von der Krankheit
    Ihres Vaters gewusst haben. Und dieser Jemand muss
    auch in Ihrem Vater den idealen Sündenbock gesehen
    haben. Gibt es jemanden, der von den Skorpionen und
    den Anfällen Ihres Vaters gewusst hat? Denken Sie nach!
    Ist außer Mock noch jemand zu Ihnen gekommen, um
    Sie nach dem Alibi Ihres Vaters zu fragen? Vielleicht ir-
    gendein Privatdetektiv, so wie ich?«
    Lea Friedländer hatte sich auf die Seite gelegt, den
    Kopf in die Hand gestützt und eine von Anwaldts Ziga-
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    retten zwischen ihre Lippen geschoben, die jetzt in ihrem
    Mundwinkel glomm.
    »Wenn ich es Ihnen sage, werden Sie sterben.« Sie
    lachte versonnen. »Merkwürdig. Dass ich die Macht be-
    sitzen soll, jemanden zum Tode zu verurteilen.«
    Sie wälzte sich auf den Rücken und schloss die Augen,
    dabei fiel die Zigarette herab und rollte auf das Sofa. Anwaldt sprang rasch auf, und warf sie zu der anderen in die Porzellanschüssel. Als er sich aufrichten wollte, schlang
    Lea ihre Arme um seinen Hals. Ohne es zu wollen, taumelte er neben sie. Beide lagen nun nah beieinander auf
    dem Bauch. Anwaldts Wange berührte ihre glatte Schul-
    ter. Lea legte seinen Arm auf ihren Rücken und flüsterte
    ihm ins Ohr:
    »Sie werden sterben. Aber jetzt sind Sie mein Kunde.
    Also machen Sie schon! Die Zeit ist bald um …«
    Für Lea Friedländer war die Zeit tatsächlich um. Sie
    war eingeschlafen. Anwaldt drehte die wehrlose junge
    Frau auf den Rücken und hob ihre Augenlider ein wenig
    an. Die Augäpfel waren nach oben verdreht. Einen Mo-
    ment musste er gegen sein aufsteigendes Begehren an-
    kämpfen, doch dann stand er auf, löste seine Krawatte
    und knöpfte das Hemd bis zum Gürtel auf, um sich ein
    wenig Kühlung zu verschaffen. Er ging ins Vorzimmer
    hinüber und dann in den einzigen Raum, den er nicht in-
    spiziert hatte: Es war ein Salon, mit

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