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Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marek Krajewski
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Möbeln angefüllt, über deren Polster schwarze Schutzüberzüge gebreitet waren.
    Hier war es angenehm kühl. Die Fenster gingen auf den
    Hof, eine Tür führte in die Küche. Vom Dienstmädchen
    keine Spur. Überall stapelte sich dort schmutziges Ge-
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    schirr, und Batterien von leeren Bier- und Limonadefla-
    schen standen herum. (Was macht das Dienstmädchen
    eigentlich in diesem Haus? Wahrscheinlich dreht sie zusammen mit dem Fräulein Filme …)
    Er nahm einen der wenigen sauberen Bierkrüge und
    füllte ihn zur Hälfte mit Wasser. Mit dem Krug in der
    Hand begab er sich in einen weiteren, fensterlosen Raum,
    der das Ende dieser merkwürdigen Zimmerflucht bildete.
    (Eine Speisekammer? Ein Dienerzimmer?) Beinahe der ganze Raum wurde von einem eisernen Bett eingenom-men, daneben standen ein reich verzierter Sekretär und
    ein Frisiertisch mit einer merkwürdig gebogenen Lampe.
    Auf dem Sekretär lagen ein Dutzend Bücher, in verbli-
    chenes grünes Leder gebunden. Auf den Buchrücken wa-
    ren in silberner Prägeschrift die Titel zu lesen. Nur einem der Bücher fehlte der Titel, und das weckte Anwaldts Interesse. Er schlug es auf: Es handelte sich um ein Notiz-
    buch, zur Hälfte mit großen, runden Buchstaben gefüllt.
    Auf der Titelseite stand in Schönschrift: »Lea Friedländer.
    Tagebuch«. Anwaldt zog seine Schuhe aus, legte sich auf
    das Bett und vertiefte sich in die Lektüre. Es war kein ty-pisches Tagebuch, eher Erinnerungen an Leas Kindheit
    und Jugend, die vor nicht allzu langer Zeit geschrieben
    worden waren.
    Anwaldt verglich seine Phantasie oft mit einer Dreh-
    bühne im Theater. Während er las, konnte er eine Szene
    oft mit allen Sinneseindrücken vor seinem Inneren le-
    bendig werden lassen. So war es ihm vor einiger Zeit bei
    der Lektüre der Tagebücher Gustav Nachtigals gegangen.
    Er hatte unter seinen Füßen den glühenden Wüstensand
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    gespürt, sogar der Gestank der Kamele war ihm in die
    Nase gestiegen. Aber immer wenn er die Augen von den
    Seiten hob, fiel der Vorhang, und die imaginierte Szene-
    rie verschwand. Doch sobald er das Buch erneut zur
    Hand genommen hatte, kehrte alles wieder zurück, und
    die Sonne der Sahara brannte wieder auf ihn herab. Auch
    jetzt sah er vor sich, was er las: den Park und die Sonnenstrahlen, die durch die Blätter hindurchfielen und sich in den spitzenbesetzten Kleidern der jungen Frauen fingen.
    Die kleinen Mädchen, die um ihre Mütter herumspran-
    gen, ihnen in die Augen sahen und dann die Köpfe an sie
    schmiegten. Etwas abseits spazierte eine schöne junge
    Frau, daneben der recht beleibte Vater, der von Zeit zu
    Zeit mit tonloser Stimme die Männer verfluchte, die sei-
    ner Tochter begehrliche Blicke zuwarfen. Anwaldt
    schloss die Augen und legte sich bequemer hin, sein Blick
    blieb flüchtig an einem kleinen Bild an der Wand über
    seinem Kopf hängen, bevor er weiterlas. Jetzt sah er einen dunklen Hinterhof. Ein kleines Mädchen war von der
    Teppichstange heruntergefallen und rief nach der Mutter.
    Ihr Vater kam heraus und nahm die Kleine in die Arme.
    Er roch vertraut nach Tabak und wischte mit dem Ta-
    schentuch die Kindertränen von den Wangen. Anwaldt
    hörte ein Geräusch in der Küche und fuhr erschreckt auf.
    Eine große schwarze Katze spazierte majestätisch über
    das Fensterbrett. Beruhigt kehrte er zu seiner Lektüre zu-
    rück. Das Bild, das er nun betrat, war etwas verschwom-
    men. Ein dichtes Grün bedeckte alles mit vagen Flecken.
    Wald. Blätter neigten sich über zwei kleine Gestalten, die sich an der Hand hielten und unsicher einen Pfad ent-132
    langgingen. Die Gestalten schienen krank, gekrümmt,
    entstellt und niedergedrückt vom dunklen Grün des
    Waldes, vom feuchten Moos, von der rauen Berührung
    der Gräser. Das war keine Phantasie, Anwaldt hatte das
    Bild eben über dem Bett hängen sehen. Darunter war zu
    lesen: »Chaim Soutine. Vertriebene Kinder«.
    Anwaldt drückte seine glühende Wange an das kühle
    Eisengestell des Bettes. Er blickte auf die Uhr: fast sieben.
    Mühsam raffte er sich auf und ging ins Atelier.
    Lea war aus ihrer Ohnmacht erwacht. Mit weit ge-
    spreizten Beinen lag sie auf dem Sofa.
    »Haben Sie schon gezahlt?« Sie schickte ein gezwunge-
    nes Lächeln in Anwaldts Richtung.
    Er fingerte eine Zweihundertmarknote aus seinem
    Portemonnaie. Lea streckte sich, bis die Gelenke knack-
    ten. Sie bewegte ein paar Mal den Kopf und wimmerte
    leise.
    »Bitte, gehen Sie jetzt …« Sie sah ihn flehentlich

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