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Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marek Krajewski
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das
    kokette Lächeln der Prostituierten zu achten, die sich
    auch hier herumtrieben. Heinz Staub schleppte die bei-
    den Koffer für ihn. Als Mock am Bahnsteig angekommen
    war, eilte jemand schnellen Schrittes auf ihn zu und pack-
    te ihn am Ellbogen. Es war Baron von der Malten. Trotz
    der Hitze trug er einen eleganten Anzug aus feiner Wolle,
    den silbrige Nadelstreifen durchzogen.
    »Darf ich dich zum Zug begleiten, Eberhard?«
    Mock nickte, aber man konnte ihm deutlich Erstaunen
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    und Unwillen ansehen. Von der Malten bemerkte es je-
    doch nicht, er ging schweigend neben Mock, als wollte er
    die Frage, die er ihm stellen musste, ad infinitum hinauszögern. Sie blieben vor dem Erster-Klasse-Waggon ste-
    hen. Ein Schaffner hob Mocks schwere Koffer in sein Ab-
    teil, der Zugführer gab den Reisenden das Zeichen, einzu-
    steigen. Der Baron ergriff mit beiden Händen Mocks Ge-
    sicht und zog es so nahe zu sich heran, als wollte er es
    küssen.
    »Eberhard, hast du Anwaldt gesagt, dass ich diesen un-
    glücklichen Friedländer umgebracht habe?«
    Mock triumphierte. Heinz Staub kam aus dem Wag-
    gon und teilte ihnen mit, dass der Zug zur Abfahrt bereit
    sei. Mock lächelte, der Baron blickte ihn durchdringend
    an, der Zugführer bat sie höflich einzusteigen. Der Poli-
    zeidirektor riss dem Baron die Hände herunter.
    »Ich habe es ihm noch nicht gesagt.«
    »Ich flehe dich an, tu es nicht!«
    Der Zugführer wurde ungeduldig. Staub drängte, der
    Baron blickte mit flehentlicher Wut, Mock lächelte noch
    immer, die Lokomotive stieß eine Dampfwolke aus. End-
    lich stieg Mock ein, aus dem Fenster rief er:
    »Ich werde es ihm nicht sagen, wenn du mir sagst, wie-
    so dir so daran gelegen ist!«
    Die Türen schlossen sich, der Zug fuhr langsam an,
    Staub winkte zum Abschied, von der Malten hängte sich
    ans offene Zugfenster und rief mit lauter Stimme vier
    kurze Worte. Mock fiel verwundert auf seinen Sitz, der
    Baron ließ das Fenster los und sprang auf den Bahnsteig,
    der Zug wurde schneller, während der Zugführer be-
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    denklich den Kopf schüttelte. Staub ging bereits die
    Treppe hinunter, als ein Bettler den Baron am Ärmel
    zupfte (»jetzt wäre der gnädige Herr um ein Haar unter
    die Räder gekommen …«). Der Baron stand stocksteif,
    sodass er fast vom Zug gestreift wurde, und Mock saß
    reglos in seinem Abteil und wiederholte immer wieder,
    dass das, was er gehört hatte, keine Täuschung gewesen
    sein konnte.

    Breslau, 8. Juli 1934.
    Drei viertel acht Uhr abends

    Maass saß in seiner Dreizimmerwohnung in der Tauent-
    zienstraße 23 und hörte sich die krächzende Grammo-
    fonplatte an. Schwungvoll tauchte er seine Feder immer
    wieder in ein bauchiges Tintenfass und übertrug die
    Worte in Schriftzeichen. Er war ganz in seine Arbeit
    versunken und erlaubte sich keinen Moment der Ruhe
    oder des Zweifels. Das Klingeln an der Tür riss ihn aus
    seiner Konzentration. Er löschte das Licht und beschloss,
    nicht zu öffnen. Dann hörte er, wie jemand einen Schlüs-
    sel ins Schloss steckte. (Wahrscheinlich ist es dieser schrecklich neugierige Wohnungseigentümer. Er glaubt
    wohl, dass ich nicht zu Hause bin und möchte sich ein wenig umsehen.) Maass stand auf und ging wütend ins Vorzimmer, wo er wie vermutet auf jenen hinterlistigen
    Schnüffler traf, mit dem er sich bereits am ersten Tag über die Miete gestritten hatte. Maass zahlte zwar keinen
    Pfennig aus eigener Tasche, doch aus reinem Misstrauen
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    warf er allen anderen Menschen, so auch seinem Vermie-
    ter, Wucher vor.
    Aber der Anblick, der sich ihm in seinem Vorzimmer
    bot, war noch weniger nach seinem Geschmack: Neben
    dem aufgeregten Hauseigentümer standen drei Männer
    in SS-Uniform. Alle drei bleckten die Zähne. Doch Maass
    war kein bisschen zum Lachen zu Mute.

    Breslau, 8. Juli 1934.
    Acht Uhr abends

    Anwaldt hatte für die Rückfahrt zu seiner Wohnung eine
    Droschke genommen. Er hatte sich auf dem Sitz ausge-
    streckt und betrachtete ängstlich die Silhouetten der
    Mietshäuser, die die Straßen säumten. Es schien ihm, als
    stürzten die Häuserreihen aufeinander zu, jeden Moment
    mussten sie über ihm zusammenschlagen. Er schloss die
    Augen und wiederholte in einem fort: »Ich bin normal, es
    geht mir gut … « Doch wie um diese Formel zu widerle-
    gen, sah er immer wieder das Bild der »Vertriebenen
    Kinder« von Chaim Soutine vor sich. Der Junge in den
    kurzen Hosen zeigte mit der einen Hand auf etwas au-
    ßerhalb des Rahmens, das

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