Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marek Krajewski
Vom Netzwerk:
und stieg bei der nächsten Station aus.
    Er folgte Mocks Anweisungen, überquerte die Straße
    und betrat den Platz zwischen einigen Bürobauten. Über
    einem der Eingänge stand »Universitätsklinik«. Er bog
    nach links ab. Von den Gebäuden strahlte die Hitze er-
    barmungslos zurück, aus den Kellern strömte ein übler
    Geruch nach Rattengift. Er gelangte zum Fluss, stützte
    sich auf das Geländer und zog das Jackett aus. Hier kann-
    te er sich nicht mehr aus, offensichtlich hatte er sich verlaufen. Er wartete auf jemanden, der ihm den Weg in die
    Hansastraße zeigen könnte. Eine dickliche Hausangestell-
    te, die einen riesigen, mit Asche gefüllten Eimer schlen-
    kernd am Arm trug, kam auf ihn zu. Bedächtig schüttete
    sie den Ofenschmutz auf den grasbewachsenen Fluss-
    damm, wobei es ihr nichts auszumachen schien, beo-
    bachtet zu werden. Plötzlich, vermutlich das erste Anzei-
    chen eines aufkommenden Gewitters, erhob sich ein
    Windstoß und wirbelte eine graue Aschenwolke in die
    Luft, die Anwaldt völlig einhüllte. Aufgebracht überhäuf-
    te er das schuldbewusste Dienstmädchen mit einem
    125
    Schwall ordinärer Schimpfwörter und begab sich auf die
    Suche nach einem Wasserhahn, um sich Gesicht, Hals
    und Arme zu säubern. Er fand keinen und musste sich
    darauf beschränken, die Asche so gut es ging von seinem
    Hemd zu blasen und sich das Gesicht mit dem Taschen-
    tuch abzuwischen.
    Die Unannehmlichkeiten, erst die Wespe und dann die
    Asche, sowie seine Unkenntnis des Stadtviertels bewirk-
    ten, dass Anwaldt nicht nur verärgert, sondern auch ver-
    spätet zum Treffen mit Lea Friedländer kam. Als er die
    Hansastraße und das »Foto- und Filmstudio Fatamorga-
    na« gefunden hatte, war es bereits Viertel nach vier. Das
    Schaufenster des Studios war von innen mit rosafarbe-
    nem Stoff verhängt. An der Tür hing ein Messingschild
    mit dem Hinweis »Eingang im Hof«. Er musste dort lan-
    ge an die Tür klopfen. Erst nach einigen Minuten öffnete
    ein rothaariges Dienstmädchen. Mit stark fremdländi-
    schem Akzent gab sie dem Besucher zu verstehen, dass
    »Fräulein Susanna« verspätete Kunden nicht empfange.
    Anwaldt aber war bereits derartig ungehalten, dass er jeg-
    lichen Versuch, das Mädchen sanft zu überzeugen, gar
    nicht erst in Erwägung zog – er schob es einfach zur Seite und nahm in dem kleinen Wartezimmer Platz. »Bitte sagen Sie dem Fräulein Friedländer, dass ich ein besonderer
    Kunde bin.« Er steckte sich ruhig eine Zigarette an. Das
    Mädchen verschwand sichtlich amüsiert. Anwaldt be-
    nutzte den unbeobachteten Moment dazu, in alle Türen
    zu spähen und ließ nur diejenige aus, durch die sie hi-
    nausgegangen war. Die erste führte in ein hellblau geka-
    cheltes Badezimmer. Darin fielen ihm die überdimensio-
    126
    nale, auf einem hohen Sockel stehende Badewanne und
    das Bidet auf. Nach der Inspektion dieser nicht gerade
    alltäglichen Einrichtung betrat Anwaldt das zur Straße
    gelegene große Filmstudio. Dessen Mitte wurde von ei-
    nem überdimensionalen Sofa dominiert, auf dem sich
    goldene und purpurne Kissen türmten. Im Kreis herum
    waren riesige Theaterscheinwerfer aufgestellt und einige
    Korbparavents, über denen elegante Spitzenunterwäsche
    hing. Das alles ließ keinen Zweifel zu über die Art der
    hier gedrehten Filme. Anwaldt hörte ein Hüsteln. Er
    drehte sich um und erblickte eine groß gewachsene, dun-
    kelhaarige Frau in der Tür, die nichts außer Strümpfen
    und einem schwarzen, durchsichtigen Peignoir trug. Sie
    hatte die Hände in die Seiten gestemmt und gewährte
    Anwaldt so einen Blick auf alle Geheimnisse ihres wohl-
    geformten Körpers.
    »Sie sind eine halbe Stunde zu spät. Jetzt haben wir
    wenig Zeit.« Sie sprach langsam, zog die Silben in die
    Länge. Auf dem Weg zum Sofa schwangen ihre Hüften.
    Dabei erweckte sie den Eindruck, als ginge das Zurückle-
    gen dieser wenigen Meter fast über ihre Kräfte. Sie ließ
    sich schwer auf die Kissen fallen und deutete mit ihrer
    schlanken Hand eine einladende Geste an. Anwaldt nä-
    herte sich vorsichtig. Unerwartet zog sie ihn heftig an
    sich. Aber es hatte den Anschein, als käme sie mit dem
    Aufknöpfen seiner Hose nicht recht zu Rande. Er unter-
    brach ihre Bemühungen, beugte sich zu ihr hinunter und
    nahm ihr schmales Gesicht zwischen seine Hände. Ver-
    wundert schaute sie ihn an. Ihre Pupillen waren geweitet,
    sie hatten beinahe die ganze Iris verdrängt. Die Schatten
    127
    des dämmrigen Zimmers

Weitere Kostenlose Bücher