Tod in den Anden
wir sind uns darin gleich, es ist ein wahres Wunder, daß wir noch am Leben sind.«
Tomasito hatte eine Hand erhoben, um einen weiteren Stein zu werfen, aber er tat es nicht. Er ließ den Arm sinken und wandte sich an die Frau:
»Wir sind auf ihren Empfang vorbereitet, Señora. Wir haben den halben Berg vermint. Bevor ein einziger den Posten betritt, gibt es erst mal ein Feuerwerk aus Sendero-Leuten über Naccos.« Er zwinkerte Lituma zu und wandte sich abermals an Doña Adriana. »Der Korporal spricht mit Ihnen nicht wie mit einer verdächtigen Person. Eher wie mit einer Freundin. Belohnen Sie also sein Vertrauen.«
Die Frau schnaufte und fächelte sich wieder, bevor sie zustimmend nickte. Sie hob langsam eine Hand und wies auf die Gipfel mit ihren Schneehauben, die spitz oder stumpf in die Höhe ragten, bleifarben, grünlich, massig und einsam unter der blauen Kuppel.
»All diese Berge stecken voller Feinde«, sagte sie ruhig.
»Sie leben im Innern. Sie verbringen Tag und Nacht damit, böse Taten auszuhecken. Sie richten Unheil und noch mehr Unheil an. Das ist der Grund für so viele Unfälle. Die Einstürze in den Stollen. Die Lastwagen, denen die Bremsen versagen oder die aus der Kurve fliegen. Die Dynamitkästen, die explodieren und Beine und Köpfe mitnehmen.«
Sie sprach, ohne die Stimme zu heben, monoton, wie bei den Litaneien der Prozessionen oder den Klagen der Klageweiber bei den Totenwachen.
»Wenn alles Übel vom Teufel kommt, dann gibt es keine bösen Zufälle in der Welt«, bemerkte Lituma ironisch. »Die beiden jungen Franzosen, die nach Andahuaylas fuhren, wurden die von Satan zu Tode gesteinigt, Señora? Denn mit diesen Feinden sind doch die Teufel gemeint, oder?«
»Sie treten auch die huaycos los.«
Die huaycos ! Lituma hatte von diesen gewaltigen Erdrutschen gehört. Hier war keiner heruntergekommen, Gott sei Dank. Er versuchte sich diese Massen aus Schnee, Felsbrocken und Schlamm vorzustellen, die als tödliche Lawine aus der Höhe der Kordillere hinunterstürzten und alles mitrissen, sich ganze Bergflanken einverleibten, sich mit Steinen aufluden, Saatfelder, Tiere, Häuser, ganze Dörfer und Familien unter sich begruben. Launen des Teufels, die huaycos ?
Señora Adriana zeigte erneut auf die Gipfel:
»Wer könnte denn sonst diese Felsbrocken lösen? Wer ist es denn, der den huayco genau dorthin lenkt, wo er den größten Schaden anrichten kann?«
Sie verstummte und schnaufte erneut. Sie sprach mit so großer Überzeugung, daß Lituma kurz erschrak.
»Und die Verschwundenen, Señora?« beharrte er.
Eines der Steinchen von Tomás traf, und es ertönte ein metallisches Geräusch, das sich bergabwärts in einem Echo fortsetzte. Lituma sah, wie sein Amtshelfersich bückte, um eine weitere Handvoll Wurfgeschosse aufzusammeln.
»Man kann wenig gegen sie ausrichten«, fuhr Doña Adriana fort. »Aber etwas doch. Sie besänftigen, sie ablenken. Nicht mit diesen Opfergaben der Indios an den Bergpässen. Diese Häufchen aus Steinen, diese Blümchen, diese kleinen Tiere nützen nichts. Auch nicht die viele Chicha, die sie für sie ausgießen. In der Gemeinschaft hier in der Nähe schlachten sie manchmal einen Schafbock, ein Vikunja für sie. Dummes Zeug. Das wäre was für normale Zeiten, nicht für diese. Was die wollen, sind Menschen.«
Lituma kam es vor, als würde sein Amtshelfer sich das Lachen verkneifen. Er selbst hatte keinerlei Lust, über die Worte der Hexe zu lachen. Ihn machte es mißtrauisch, solche Reden zu hören, egal, ob es der Unsinn einer Schwindlerin oder das irre Gefasel einer Verrückten war.
»Und in der Hand von Demetrio Chanca haben Sie gelesen, daß . . .?«
»Ich habe ihn umsonst gewarnt.« Sie zuckte die Schultern. »Was geschrieben steht, geht in jedem Fall in Erfüllung.«
Was würden die Vorgesetzten in Huancayo sagen, wenn er über das Funkgerät des Lagers diesen Bericht über das Geschehen schicken würde: ›In noch nicht geklärter Weise geopfert, um böse Geister der Anden zu beschwichtigen, Punkt. Steht in den Linien seiner Hand, sagt Zeugin, Punkt. Fall abgeschlossen, Punkt.Hochachtungsvoll, Kommandant des Postens, Punkt. Korporal Lituma, Punkt.‹
»Ich erzähle Ihnen etwas, und Sie lachen«, sagte die Frau bitter, mit leiser Stimme.
»Ich lache über das, was meine Vorgesetzten in Huancayo sagen würden, wenn ich ihnen die Erklärung wiederhole, die Sie mir gegeben haben«, sagte der Korporal. »Vielen Dank, jedenfalls.«
»Kann ich jetzt
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