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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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ihren Bewachern die Arbeit zu erleichtern. »Unsere Aufgabe besteht darin, die Umwelt zu schützen, die natürlichen Ressourcen. Dafür zu sorgen, daß die Natur nicht zerstört wird, damit es in der Zukunft Nahrung gibt und alle Kinder des Hochlands Arbeit haben.«
    »Señora d’Harcourt hat viele Bücher über unsere Pflanzen und Tiere geschrieben«, erklärte ihnen der Ingenieur Cañas. »Sie ist eine Idealistin. Sie will ein besseres Leben für die Bauern, genau wie Sie. Dank ihres Einsatzes werden in dieser Region viele Bäume wachsen. Das ist eine große Sache für die Bauern der Gemeinschaft, für Huancavelica. Für Sie und Ihre Kinder. Das kommt uns allen zugute, egal welche politischen Überzeugungen wir haben.«
    Sie ließen sie sprechen, ohne sie zu unterbrechen, aber sie schenkten ihnen nicht die geringste Aufmerksamkeit. Sie waren ausgeschwärmt, hatten Wachposten an verschiedenen Punkten aufgestellt, von denen aus man den Weg in die Ortschaft und die in die beschneitenBerge hinaufführende Piste beobachten konnte. Es war ein kalter, trockener Morgen mit wolkenlosem Himmel und eisiger Luft. Die hohen Wände der Berge schimmerten grünlich.
    »Unser Kampf ist ähnlich wie Ihrer«, sagte Señora d’Harcourt mit ruhiger Stimme und einem Ton, der nicht die mindeste Beunruhigung erkennen ließ. »Behandeln Sie uns nicht wie Feinde, wir sind es nicht.«
    »Könnten wir mit dem Chef sprechen?« fragte ab und zu der Ingenieur Cañas. »Oder mit irgendeinem Verantwortlichen? Erlauben Sie mir, ihm die Sache zu erklären.«
    Nach einer Weile ging eine Gruppe von ihnen in die Hütte hinein, und die anderen, die draußen geblieben waren, schickten die Expeditionsteilnehmer einen nach dem anderen hinein. Sie befragten sie mit lauter Stimme. Die draußen Stehenden konnten einige Dialogfetzen hören. Es waren langwierige, sich wiederholende Verhöre; mit den persönlichen Angaben vermischten sich politische Äußerungen und bisweilen Fragen zu Personen und irgendwelchen fremden Angelegenheiten. Zuerst ging der Fahrer hinein, dann die Techniker, dann der Ingenieur Cañas. Als dieser herauskam, dämmerte es bereits. Señora d’Harcourt dachte überrascht, daß sie seit zehn Stunden da stand, ohne zu essen und zu trinken. Aber sie spürte weder Hunger noch Durst, noch Müdigkeit. Sie dachte an ihren Mann, trauriger um seinetwillen als um ihrer selbst willen. Sie sah den Ingenieur Cañas herauskommen.Sein Gesichtsausdruck war ein anderer, als hätte er die Sicherheit verloren, mit der er während des Tages versucht hatte, die Guerrilleros mit Worten zu überzeugen.
    »Sie hören sich an, was man ihnen sagt, aber sie nehmen es nicht auf, es interessiert sie nicht«, hörte sie ihn flüstern, als sie an ihm vorbeiging. »Sie wirken wie von einem anderen Stern.«
    Als sie im Innern der Hütte war, bedeuteten sie ihr, sich auf den Boden zu setzen, in der gleichen Position wie die drei Männer und die Frau. Señora d’Harcourt wandte sich an den, der eine Lederjacke und um den Hals einen Schal trug, ein junger Mann mit Bartstoppeln und braunen, kalten, direkt blickenden Augen. Sie erzählte ihm ihr Leben, mit einer gewissen Ausführlichkeit, angefangen bei ihrer Geburt vor nunmehr bald sechzig Jahren in jenem fernen baltischen Land, das sie nicht kannte und dessen Sprache sie nicht sprach, über ihre Kindheit, eine Wanderschaft zwischen Europa und Amerika, und ihre Schulzeit im dauernden Wechsel zwischen Schulen, Sprachen und Ländern, bis hin zu ihrer Ankunft in Peru, noch vor Vollendung ihres zwanzigsten Lebensjahres, frisch verheiratet mit einem jungen Diplomaten. Sie erzählte ihm von ihrer Liebe auf den ersten Blick für die Peruaner und vor allem von ihrer Begeisterung angesichts der Wüsten, der Urwälder, der Berge, der Bäume, der Tiere, der Schneefelder dieses Landes, das jetzt auch ihres war. Nicht nur, weil es so in ihremPaß stand – die Nationalität hatte ihr Marcelo gegeben, ihr zweiter Mann –, sondern weil sie sich das Recht, als Peruanerin zu gelten, dadurch verdient hatte, daß sie dieses Land kreuz und quer bereist und seine Schönheit seit vielen Jahren in Artikeln, Vorträgen, Büchern gepriesen hatte. Sie würde es bis ans Ende ihrer Tage weiter tun, denn das hatte ihrem Leben einen Sinn gegeben. Begriffen sie, daß sie nicht ihre Feindin war?
    Sie hörten ihr zu, ohne sie zu unterbrechen, aber ihre Gesichter ließen nicht das geringste Interesse erkennen. Erst als sie schwieg, nachdem sie ihnen

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