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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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sehr leid, Ingenieur«, murmelte sie. »Ich fühle mich so schuldig Ihnen gegenüber. Ich weiß nicht, wie ich um Verzeihung . . .«
    »Es ist eine große Ehre für mich, Señora«, fiel er ihr mit fester Stimme ins Wort. »Sie in diesem schwierigen Augenblick zu begleiten, meine ich. Die beiden Techniker haben sie abgeführt; da sie untergeordnet sind, werden sie ihnen einen Kopfschuß verpassen. Sie und ich dagegen sind privilegiert. Sie haben es mir erklärt. Eine Frage von Symbolen, scheint es. Sie sind gläubig, nicht wahr? Beten Sie für mich, ich bitte Sie, ich bin es nicht. Können wir zusammenrücken? Ich werde es besser ertragen, wenn ich Ihre Hand halten kann. Versuchen wir es, ja? Kommen Sie näher, Señora.«»Und was hast du im Schlaf gesagt, Tomasito?« fragte Lituma.
    Als der Junge erschreckt die Augen aufschlug, schien die Sonne in das Zimmer, das kleiner und elender wirkte als am Abend zuvor. Mercedes, gekämmt und angekleidet, betrachtete ihn von einer Ecke des Bettes aus mit prüfenden Augen. In ihrem Gesicht spielte ein spöttisches kleines Lächeln.
    »Wie spät ist es?« sagte er, die Glieder streckend.
    »Seit Stunden seh ich dir beim Schlafen zu.« Mercedes öffnete den Mund und lachte.
    »Na so was«, sagte der Junge unbehaglich. »Ein Glück, daß du heute mit guter Laune aufgewacht bist.«
    »Das kommt daher, daß ich dir nicht nur beim Schlafen zugesehen habe, ich hab dir auch zugehört.« »In Mercedes’ braunem Gesicht schimmerten weiße Mäuschenzähne, Herr Korporal.« »Du hast geredet und geredet. Ich dachte, du tust, als würdest du schlafen. Aber ich hab dich aus der Nähe angeschaut, und du hast tief gepennt.«
    »Und was zum Teufel hast du im Schlaf gesagt, Tomasito?« Lituma ließ nicht locker.
    »Ich hab mich vielleicht geschämt, das können Sie sich nicht vorstellen, Herr Korporal.«
    »Wie rasch du gelernt hast, wie rasch du aufgeholt hast.« Mercedes schüttelte sich abermals vor Lachen, und er erfand sich ein langes Gähnen, um seine Verwirrung zu verbergen. »Du hast mir die gleichen schönen Dinge gesagt wie gestern abend.«
    »Jetzt ging es also ans Kokettieren«, sagte Lituma amüsiert.
    »Na ja, im Schlaf sagt man alles mögliche«, verteidigte sich Carreño.
    Mercedes wurde ernst und sah ihm direkt in die Augen. Sie streckte ihre Hand aus, ihre Finger gruben sich in sein Haar, und Tomás spürte, daß sie es ihm glattstrich, wie am Abend zuvor.
    »Fühlst du wirklich für mich, was du die ganze Nacht gesagt hast? Was du mir auch noch im Schlaf gesagt hast?«
    »Sie hatte so eine freimütige Art, von den intimen Dingen zu reden, das hab ich nie erlebt«, sagte Tomás bewegt. »Das hat mich ganz aus dem Konzept gebracht, Herr Korporal.«
    »Das war Zucker und Honig für dich, du Schwindler«, widersprach ihm Lituma. »Meine Landsmännin hatte dich schon ganz kirre gemacht.«
    »Oder warst du bloß scharf auf mich, und jetzt, wo du gekriegt hast, was du wolltest, ist es vorbei mit deinen Gefühlen?« fügte Mercedes hinzu, während sie ihn mit den Augen verschlang.
    »Mitten am Tag von den Dingen zu reden, die man im Dunkeln und ins Ohr sagt, das paßt mir gar nicht, Herr Korporal. Fast wäre ich böse geworden, das schwör ich Ihnen. Aber als sie anfing, mir das Haar zu zausen, war keine Rede mehr davon.«
    »Ich weiß, daß du es nicht gern hast, wenn ich so rede«, sagte Mercedes, wieder ernst geworden. »Aber eswill mir auch nicht in den Kopf, daß du dich so verliebst, wo du mich doch nur zweimal gesehen und keine zwei Worte mit mir gewechselt hast. Keiner hat mir solche Dinge gesagt, Stunden und Stunden, sogar noch danach. Keiner hat sich hingekniet, um mir die Füße zu küssen, wie du.«
    »Du hast dich hingekniet und sie ihr geküßt?« fragte Lituma ungläubig. »Das war keine Liebe mehr, das war schon Anbetung.«
    »Mein Gesicht glüht, ich weiß nicht, wo ich mich verstecken soll, Liebes«, scherzte der Junge.
    Er suchte das Handtuch, das er, wie er sich erinnerte, am Abend zuvor auf dem Fußende des Bettes gelassen hatte. Es lag auf dem Boden. Er hob es auf, wickelte es sich um die Hüfte und stand auf. Als er an Mercedes vorbeikam, neigte er sich herab, um sie zu küssen. Mit dem Mund an ihrem Haar, murmelte er:
    »Was ich dir gesagt habe, habe ich gefühlt. Das sind meine Gefühle für dich.«
    »Reines Süßholzgeraspel«, sagte Lituma. »Habt ihr euch wieder ins Bett gelegt?«
    »Ich habe meine Regel bekommen, besser, du erregst dich nicht«, sagte

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