Tod in den Anden
Überfälle auf dieser Strecke.«
Keiner der Fahrgäste machte irgendeine Bemerkung, aber die Atmosphäre im Wagen verdickte sich wie Milch, die gerinnt. Carreño spürte, wie Mercedes steif wurde.
»Und am wahrscheinlichsten ist, daß man uns beide mit der Uniform ins Grab legt, Tomasito. Bist du es nicht manchmal leid, auf sie zu warten? Denkst du nicht manchmal: ›Sie sollen endlich kommen, damit dieser verdammte Nervenkrieg aufhört‹?«
»Und was soll das heißen?« fragte schließlich, auf dem Rücksitz, die Dame mit den frommen Ausrufen. »Daß wir in Gefahr sind?«
»Ich hoffe, nicht«, erwiderte der Fahrer. »Aber ich habe die Pflicht, Sie zu warnen.«
»Und was macht man in solchem Fall?« fragte ein anderer Fahrgast.
»In solchem Fall ist es das beste, nicht zu widersprechen«, sagte der Fahrer. »Das ist zumindest meine Empfehlung. Die Angreifer sind bewaffnet und haben den Finger am Abzug.«
»Wir geben ihnen also alles, was wir haben, wie sanfte Lämmer«, sagte die Dame empört. »Und stehen dann mit leeren Händen da. Ein schöner Rat, weiß Gott.«
»Wenn Sie die Heldin spielen wollen, bitte«, sagte der Fahrer. »Ich gebe nur eine Ansicht zum besten.«
»Sie verschrecken die Fahrgäste«, schaltete Carreño sich ein. »Ein Rat ist eine Sache und den Leuten Angst einjagen eine andere.«
Der Fahrer wandte ein wenig den Kopf, um ihn anzusehen.
»Ich will niemandem Angst machen«, erklärte er.
»Man hat mich nur schon dreimal überfallen, und beim letzten Mal hat man mir mit einem Faustschlag das Knie zertrümmert.«
Es folgte ein langes Schweigen, unterbrochen nur vom Gebrumme und Gestotter des Motors und vom Klappern der Karosserie, die von den Schlaglöchern und Steinen des Weges erschüttert wurde.
»Ich versteh nicht, warum Sie dann eine so gefährliche Arbeit machen«, bemerkte ein Fahrgast, der bislang nichts gesagt hatte.
»Aus dem gleichen Grund, aus dem Sie auf dem Landweg nach Lima fahren, obwohl Sie wissen, daß es gefährlich ist«, sagte der Fahrer. »Aus Not.«
»Verflucht sei der Augenblick, als ich nach Tingo María kam, verflucht der Augenblick, als ich die Einladung dieses Kretins angenommen habe«, flüsterte Mercedes dem Jungen ins Ohr. »Es ging mir gut, ich hatte genug, um mir Kleider zu kaufen, bei der Show im Vacilón hab ich mich amüsiert, ich war unabhängig. Und jetzt bin ich auf der Flucht und geb mich mit einem Gendarmen ab.«
»Das war dein Schicksal.« Der Junge küßte sie wieder aufs Ohr und spürte, wie sie erschauerte. »Auch wenn du es nicht glaubst, jetzt beginnt der beste Teil des Lebens. Weißt du, warum? Weil wir zusammen sind. Und soll ich dir was sagen?«
»Ich warte die ganze Zeit auf was Ordentliches, auf scharfe Sachen, Gefummel, ein paar gute Nummern, die mich von meiner erzwungenen Keuschheit ablenken, und du wandelst die ganze Zeit in romantischen Gefilden«, beklagte sich Lituma. »Dir ist nicht zu helfen, Tomasito.«
»Was?« flüsterte sie.
»Zusammen, bis daß der Tod uns scheidet.« Carreño beknabberte ihr Ohr, und Mercedes lachte laut auf.
»Sie befinden sich nicht zufällig auf der Hochzeitsreise?« fragte der Fahrer und warf ihnen einen raschen Blick zu.
»Wir haben gerade geheiratet«, bestätigte Carreño sogleich. »Wie haben Sie das erraten?«
»Mein sechster Sinn«, sagte der Fahrer lachend. »Und weil Sie sich dauernd küssen.«
Jemand lachte auf dem Rücksitz, und ein Fahrgast murmelte: »Herzlichen Glückwunsch dem Paar.« Carreño drückte Mercedes an sich, küßte sie und flüsterte ihr zu:
»Vor der Welt bist du schon meine kleine Frau. Du wirst mich nie mehr los.«
»Wenn du mich weiter kitzelst, wechsel ich den Platz«, flüsterte sie. »Ich pinkel mir in die Hose vor Lachen.«
»Ich würde sonst was dafür geben, einer Frau beim Pinkeln zuzusehen«, entfuhr es Lituma, während er sich auf seiner Pritsche herumwälzte. »Nie ist mir dieIdee gekommen, verdammt. Und jetzt, wo ich Lust darauf habe, ist weit und breit keine Frau zu sehen.«
»Da müßtest du schon in den Kofferraum steigen«, sagte Carreño. »Schön, ich gewähr dir eine Pause. Zehn Minuten ohne Küsse. Du kannst auf meiner Schulter schlafen, wie im Lastwagen. Ich werde dich wecken, wenn man uns überfällt.«
»Die Sache wurde gerade interessant mit diesem Gepinkel, und du sagst ihr, sie soll schlafen«, protestierte Lituma. »Es ist eine Katastrophe.«
»Du bist vielleicht witzig, mein kleiner Bulle«, sagte sie, während sie es sich
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