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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Esperanza betreten hatte.
    »Die Nacht kann Sie unterwegs überraschen, und das empfehle ich Ihnen nicht. Sie bleiben zum Essen und Schlafen hier, und morgen in aller Frühe bringt Francisco López Sie im Jeep zurück.«
    Der dunkelhaarige Ingenieur, den sie Pichín nannten, bestand ebenfalls darauf, und Lituma ließ sich nicht lange bitten, noch eine Nacht im Bergwerk zu bleiben. Es stimmte ja, daß es unvorsichtig war, in dieser einsamen Gegend im Dunkeln unterwegs zu sein. Außerdem würde er so Gelegenheit finden, diesen Gringo, der in La Esperanza zu Besuch war, ein Forscher oder etwas in der Art, noch eine Weile zu sehen und zu hören. Seitdem er ihn zu Gesicht bekommen hatte, war er von ihm fasziniert. Sein Haar und sein Bart waren zerzaust und so lang, wie Lituma sie nur auf Bildern von biblischen Propheten und Apostelngesehen hatte oder wie sie einige Irre oder halbnackte Bettler auf den Straßen von Lima trugen. Dieser hier hatte jedoch nichts von einem Verrückten; er war ein Gelehrter. Aber er war einfach und freundlich; er wirkte wie ein Bewohner der Wolken, der sich auf die Erde verirrt hatte, und völlig gleichgültig – unwissend? – angesichts der Gefahr, in der er sich im Bergwerk beim Überfall der Terroristen befunden hatte. Die Ingenieure nannten ihn Prof und manchmal Scharlach.
    Während Lituma die Aussagen protokollierte, das Verzeichnis der Gegenstände anlegte, die die Angreifer mitgenommen hatten, und die Berichte schrieb, die für die Versicherungsgesellschaft erforderlich waren, hatte er gehört, wie die beiden Ingenieure, vor allem der blonde, den Prof mit den Scheußlichkeiten zum besten hielten, die die Terroristen mit ihm angestellt hätten, wenn sie entdeckt hätten, daß sich hier, vor ihrer Nase, ein Agent des CIA im Wassertank versteckt hielt. Er folgte ihrem Spiel. Was Scheußlichkeiten betreffe, so könne er ihnen manches beibringen, diesen Terroristen, bloße Anfänger, die nichts weiter konnten, als die Leute mit der Kugel oder mit dem Messer umzubringen oder ihnen den Kopf zu zertrümmern, Lappalien im Vergleich zu den Techniken der alten Peruaner, die darin äußerst raffinierte Formen entwickelt hatten. Mehr noch als die alten Mexikaner, obwohl es ein internationales Komplott der Historiker gebe, um den peruanischen Beitrag zur Kunstder Menschenopfer zu schmälern. Alle Welt wisse, daß die aztekischen Priester den Opfern des Blumenkrieges auf der Spitze der Pyramiden das Herz herausrissen, aber wer hatte von der religiösen Leidenschaft der Stämme der Chancas und der Huancas für die menschlichen Eingeweide gehört, von der Präzisionschirurgie, mit der sie Leber, Gehirn und Nieren ihrer Opfer entfernten, die sie, begleitet von einer guten Mais-Chicha, bei ihren Zeremonien verzehrten? Die Ingenieure amüsierten sich über ihn und er über sie, und Lituma tat, als konzentriere er sich auf die Abfassung der Berichte, aber er verlor kein Wort ihrer Unterhaltung. Und er hätte sonst was gegeben, um sich eine Weile dazusetzen und dem redseligen Gringo zuhören und nach Lust und Laune seine extravagante Erscheinung betrachten zu können.
    War er ein Gringo? Angesichts seiner hellen Augen und des blonden Haars, das auf seinem Kopf und in seinem Bart mit zahllosen weißen Strähnen durchsetzt war, mußte man das annehmen. Auch wegen der lachhaften Jacke mit roten und weißen Rauten, die er über seiner Hose und seinem Hemd aus Jeansstoff trug, und den Alpinistenstiefeln. Kein Peruaner zog sich so an. Aber das Spanisch, das er sprach, war mehr als perfekt, viele seiner Wörter hörte Lituma zum ersten Mal, obwohl er sicher war, daß sie in den Büchern existierten. Ein verdammt kluger Kopf. An diesem Abend würde er von ihm profitieren können.
    In ihren guten Zeiten, erklärten ihm die Ingenieure,habe La Esperanza mehr als hundert Bergarbeiter in den Stollen gehabt, aber jetzt arbeiteten hier kaum mehr als dreißig. Und so, wie die Dinge sich in Anbetracht der Probleme und der sinkenden Edelmetallpreise entwickelten, würde La Esperanza vielleicht schließen müssen, wie andere Bergwerke in Cerro de Pasco oder in Junín. Sie betrieben es vor allem deshalb weiter, um nicht klein beizugeben, denn es war kein gutes Geschäft mehr. Das Lager glich dem des Bauunternehmens in Naccos: klein, mit Holzbaracken und ein paar festen Häusern, in denen das Büro untergebracht war und die Ingenieure wohnten, wenn sie kamen. In einem Anbau lebte der Vorarbeiter (der jetzt nicht da war, da er

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