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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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dieser Albino, Casimiro Huarcaya, sie vor fünf Jahren unter Ausnutzung der Festlichkeiten eines anderen Dorfes vergewaltigt habe. Daß er sie geschwängert habe. Daß er, als sie zu ihm gegangen sei, um es ihm zu erzählen, sie nicht viel besser als eine Prostituierte behandelt habe. Und daß er sichspäter, wie jemand, der einem Hund einen Knochen vorwirft, herabgelassen habe, ihr Geld für eine Abtreibung zu geben. Es war Asunta, und es war nicht Asunta. Zumindest kostete es Casimiro Mühe, das schüchterne Mädchen, das ihm die Hand küßte, mit dieser kalten, belehrenden Frau zusammenzubringen, die mit lauter Stimme diese intimen Dinge erzählte, als spräche sie von einer anderen Person.
    Er versuchte ihr zu sagen, daß er die ganze Zeit nach ihr geforscht habe. Er versuchte sie zu fragen, was mit diesem Kind geschehen war, das sie erwartete, ob es wie er als Albino zur Welt gekommen war. Aber seine Stimme gehorchte ihm nicht. Die Bewaffneten redeten lange, tauschten Meinungen in Spanisch und in Quechua aus. Dann stellten sie ihm Fragen, die er nicht zu beantworten wußte. Als er sah, daß sie eine Entscheidung über sein Schicksal getroffen hatten, erfaßte ihn ein Gefühl von Unwirklichkeit. Da war sie also, die Frau, die er so viele Jahre gesucht hatte. Sie trat an ihn heran, mit der Flinte auf seinen Kopf zielend. Und Casimiro war sicher, daß ihr die Hand beim Abdrücken nicht zittern würde.
    »Gendarm, Gendarm«, sagte Mercedes. »Das letzte, was ich mir hätte vorstellen können, ist, daß du einer von diesen Bullen bist, die den Verkehr regeln.«
    »Ich weiß, daß ich ein Abstieg für dich bin«, erwiderte der Junge. »Aber mach dir keine Sorgen, mit einer Frau wie dir an meiner Seite werde ich es sehr weit bringen.«
    »Ich würde vor Scham sterben, wenn ich dich je in der Uniform eines Gendarmen sehen sollte«, sagte sie.
    »Warum hatte sie eine so schlechte Meinung von uns?« knurrte Lituma.
    »Warum wohl«, seufzte Tomasito. »Wegen des Hungerlohns, den wir verdienen.«
    Sie hatten Huánuco gegen sechs Uhr verlassen, mit einer Stunde Verspätung; sie saßen auf den beiden Vordersitzen des alten Dodge, neben dem
     Fahrer. Hinten drängten sich vier weitere Fahrgäste, darunter eine Dame, die bei jedem Schlagloch ›Gott im Himmel‹ stöhnte. Der Fahrer trug eine Mütze,
     die bis zu den Ohren herabgezogen war, und ein Schal bedeckte seinen Mund, so daß man sein Gesicht kaum erkennen konnte. Er hatte das Radio voll
     aufgedreht, und die anderen konnten nicht hören, was Carreño und Mercedes sich ins Ohr sagten. Während das Sammeltaxi die Kordillere erklomm,
     verschlechterte sich der Empfang des Radios, und die Musik ging unter Pfeif- und Brummtönen unter.
    »Wo ihr so eng gesessen habt, hast du bestimmt die Gelegenheit genutzt und sie befummelt«, bemerkte Lituma.
    »Du redest mit mir, weil du einen Vorwand suchst, um mich auf den Hals zu küssen«, sagte sie, ebenfalls mit dem Mund dicht an seinem Ohr.
    »Stört es dich?« flüsterte er, während er seine Lippen langsam an ihrem Ohr rieb.
    »Diese Fummeleien im Auto sind das Schärfste überhaupt«, befand Lituma.
    »Du kitzelst mich«, sagte sie. »Der Fahrer muß mich für eine arme Irre halten, die die ganze Zeit bloß lacht und lacht.«
    »Für dich ist die Liebe eben keine ernste Sache«, sagte Carreño, während er sie abermals küßte.
    »Versprich mir, daß du nie mehr im Leben die Bullenuniform anziehst«, sagte Mercedes. »Wenigstens nicht, solange wir zusammen sind.«
    »Ich versprech dir alles, was du willst«, sagte der Junge mit zuckersüßer Stimme.
    »Und wie du siehst«, sagte Lituma seufzend, »hast du sie dir wieder angezogen, und hier kannst du sie nicht mal ausziehen. Das hier ist dein letztes Kommando, Tomasito. Hast du diesen Superfilm gesehen?«
    Carreño hatte den Arm um ihre Schultern gelegt und versuchte, mit seinem Körper die Hüpfer zu dämpfen, die Mercedes in dem schlingernden Dodge machte. Die Dunkelheit brach rasch herein, und es begann kalt zu werden. Sie hatten die Alpaka-Pullover angezogen, die sie in Huánuco gekauft hatten, aber eine der Fensterscheiben des Fahrzeugs war gesprungen, und durch den Spalt drang ein eisiges Lüftchen herein. Der Fahrer schaltete schließlich das Radio aus, in dem nichts mehr zu hören war.
    »Nicht, daß ich glaube, daß was passieren wird«, sagte er mit lauter Stimme, hinter dem Schal. »Aber es ist meine Pflicht, Sie zu warnen. Es gibt in der letzten Zeit viele

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