Tod in den Wolken
minderwertigen Jadekugeln. Niemand beachtet sie, niemand will sie, bis dieser Amerikaner kommt und fragt, was das für Dinger sind.»
«Ein Amerikaner?», unterbrach Fournier den Redestrom.
«Ja, ja, ein Amerikaner – unverkennbar ein Amerikaner. Einer von der Sorte, die keinerlei Verständnis besitzt und eben nur eine Kuriosität mit heimbringen will, einer von denen, die die Antiquitätenverkäufer in Ägypten bereichern und die lächerlichsten Skarabäen, die die Keramikindustrie je erzeugt hat, erstehen. Beflissen gehe ich auf seine Frage ein, erzähle ihm von den Gewohnheiten gewisser Stämme und ihren tödlichen Giften. Ich erläutere, wie selten so ein Stück auf den Markt gelangt, und das reizt seine Kauflust. Er fragt nach dem Preis, und ich nenne ihn. Es ist mein amerikanischer Preis, der allerdings den wirtschaftlichen Schwierigkeiten, von denen auch Amerika nicht ganz verschont blieb, etwas Rechnung trägt. Ich warte, dass er mit dem Feilschen beginnt, aber nichts Derartiges geschieht. Ohne mit der Wimper zu zucken, zahlt er das Verlangte. Ich bin wie betäubt! Oh, warum hatte ich nicht mehr gefordert…? Doch nun ist’s zu spät. Also verpacke ich ihm das Blasrohr nebst den Dornen, und er geht davon. Als ich dann in der Zeitung von diesem aufregenden Mord las, wurde ich stutzig und setzte mich mit der Polizei in Verbindung.»
«Wir sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet, Monsieur Zeropoulos», sagte Fournier höflich. «Glauben Sie, dass Sie imstande wären, dieses Blasrohr und den Dorn zu identifizieren?»
«Das Blasrohr war ungefähr so lang» – Zeropoulos maß die Größe auf seinem Schreibtisch ab – «und so dick wie… wie dieser Federhalter. Dazu gehörten vier dornartige Pfeilchen, unten zugespitzt und leicht verfärbt, mit einem kleinen roten Seidenflaum daran.»
«Rot?», fragte Hercule Poirot nach.
«Ja, Monsieur, kirschrot – allerdings etwas verblichen.»
«Das ist merkwürdig», ließ sich jetzt Fournier vernehmen. «Sind Sie sicher, dass nicht einer der vier Dornen einen gelbschwarzen Seidenflaum hatte?»
«Gelb-schwarz? Nein!», versicherte der Händler.
Fournier sah Poirot an und bemerkte ein sonderbares, zufriedenes Lächeln auf den Zügen des kleinen Belgiers. Warum wohl? Weil Zeropoulos log oder aus einem anderen Grund?
«Es ist sehr wohl möglich, dass dieses Blasrohr nichts mit dem Fall zu tun hat», meinte der französische Inspektor. «Dessen ungeachtet würden Sie mich durch eine genaue Beschreibung des Amerikaners zu neuem Dank verpflichten, Monsieur Zeropoulos.»
«Es war eben der typische Amerikaner. Seine Stimme saß in der Nase. Er konnte kein Französisch, er wälzte Kaugummi im Munde, er hatte schildpattgefasste Brillengläser, war groß und meiner Ansicht nach nicht sehr alt.»
«Blond oder dunkel?»
«Das weiß ich nicht so genau. Er behielt nämlich während seines Einkaufs den Hut auf.»
«Würden Sie den Mann wohl wieder erkennen?»
«Auch das weiß ich nicht. Bei mir gehen so viele Amerikaner ein und aus, und er unterschied sich in nichts von der großen Masse.»
Jetzt zeigte Fournier ihm die Sammlung von Pressebildern, doch keiner der fotografierten Zeugen glich, so fand der Grieche, seinem amerikanischen Kunden.
«Ein erfolgloser Gang», sagte Fournier betrübt, als sie den Laden verließen.
«Davon bin ich noch nicht überzeugt», widersprach Hercule Poirot. «Die Preisschilder hatten die gleiche Form, und außerdem schienen mir zwei Punkte in Zeropoulos’ Erzählung beachtenswert. Und nun, mein Freund, begleiten Sie bitte mich.»
«Wohin?»
«Boulevard des Capucines. Zum Büro der Fluggesellschaft.»
«Den Weg können Sie sich sparen, Monsieur Poirot. Wir haben dort bereits nachgefragt, aber man konnte uns nichts Interessantes mitteilen.»
Poirot klopfte dem Franzosen freundlich auf die Schulter. «Eine Antwort hängt von den Fragen ab, und Sie wussten nicht, auf welche Fragen es ankommt.»
«Wissen Sie es?»
«Eh… ich habe da eine gewisse kleine Idee!»
Das Büro der Universal Airlines war ziemlich klein. Ein flott aussehender, dunkelblonder Mann saß hinter einem hell polierten Holzschalter, und ein Bursche von ungefähr fünfzehn Jahren vor einer Schreibmaschine.
Auf Poirots Veranlassung hin wurde der Junge hinausgeschickt.
«Es handelt sich nämlich um eine vertrauliche Angelegenheit», raunte der kleine Belgier.
«Ja, Messieurs?», sagte Jules Meunier, von einer angenehmen Neugier befallen.
«Um die Ermordung Madame
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