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Tod in der Marsch

Tod in der Marsch

Titel: Tod in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Hinterkopf gepackt und
schob sie vorsichtig neben sich her.
    Es herrschte Zwielicht.
    Als sie an der offenen Garagentür vorbeikamen, ertönte
aus dem Halbdunkel der Kraftwagenanlage eine männliche Stimme. »Hallo, Anne!«
    Sie erschrak und blieb abrupt stehen.
    Als sie in den unbeleuchteten Raum hineinblinzelte,
erkannte sie den Mann, der langsam aus dem Hintergrund hervortrat.
    »Ach, du bist es. Hallo!«, gab sie zurück.
    »Was machst du denn hier?«, wollte er wissen.
    »Ich … ich …« Ihr fehlten die richtigen Worte, weil
sie den wahren Grund ihres Besuches nicht preisgeben wollte.
    »Wir haben uns die kleinen Kälbchen angesehen«, fiel
Lisa ihrer Mutter ins Wort.
    »Interessant«, murmelte der Mann. »Deine Mutter auch?«
    »Nein«, erwiderte die Kleine arglos. »Die war bei
Mehmet.«
    Anne verstärkte den leichten Druck auf den Hinterkopf
ihrer Tochter und wollte sie sanft weiterschieben.
    »Komm, Lisa, wir müssen jetzt gehen«, sagte sie, und
dann zum Mann in der Garage gewandt: »Es tut mir Leid, aber wir haben jetzt
keine Zeit. Sonst verpassen wir unseren Bus zurück nach Husum.«
    Der Mann machte jetzt einen Schritt auf die beiden zu
und stieß dabei unbeabsichtigt gegen das Golfbag, das an der Wand stand.
    Fast spielerisch nahm er einen Schläger heraus, sah
ihn musternd an, um ihn dann in einer Hand zu wiegen. Er nutzte diesen
Gegenstand in einer Weise, wie andere Leute beim Telefonieren mit einem
Kugelschreiber nervös auf der Tischplatte herumklopfen oder gedankenverloren
eine Büroklammer verbiegen.
    »Nun warte doch mal«, sagte der Mann. Er betrachtete
die junge Frau, tastete sie mit seinen Blicken ab.
    »Gut siehst du aus«, meinte er.
    »Danke, aber wir müssen jetzt wirklich …«
    »Wieso denn.« Der Mann schien Gefallen an der
Situation gefunden zu haben. »Für den Türken hattest du auch Zeit.«
    »Das ist doch etwas anderes. Und ganz anders, als du
vielleicht denkst«, wiegelte Anne Dahl ab.
    Der Mann leckte sich die Lippen. Sein starrer Blick
wanderte von ihrem Kopf den Hals hinab, blieb an den durch den Mantel
verhüllten weiblichen Rundungen haften.
    »Wieso?«, fragte er, um dann selbst zu ergänzen: »Natürlich! Ich bin kein Orientale, sondern nur ein Einheimischer. Du könntest
doch zu mir einmal nett sein. Das wäre doch viel vergnüglicher als mit einem
Türken.«
    »Du spinnst«, gab Anne zurück. »Was glaubst du denn,
wer ich bin?«
    Wieder leckte er sich die Lippen. Sein Blick war jetzt
noch starrer geworden.
    »Ich glaube, dass du eine kleine, unbedeutende und
wenig attraktive Frau bist, die sich ungehörig benimmt und der etwas fehlt. Ja,
dir muss es wieder einmal besorgt werden. Und zwar von einem richtigen Mann.«
    »Und du glaubst, du wärst der Richtige?« Sie führte
ihren Zeigefinger an die Stirn, um ihm zu zeigen, welche Meinung sie von ihm
hatte.
    Das Kind war dem Dialog zwischen der Mutter und dem
Mann stumm gefolgt. Instinktiv spürte das Mädchen die zunehmende Schärfe der
Auseinandersetzung.
    »Zier dich nicht so. Du willst es doch haben.« Ein
leichtes Zittern spielte um seine Mundwinkel. Die Augenlider fingen an, nervös
zu flattern.
    »Du bist ja total übergeschnappt«, entgegnete Anne
Dahl voller Entrüstung. »Wenn ich das jemandem erzähle, kannst du dich nicht
mehr unter die Menschen trauen.«
    Er machte einen hastigen Schritt auf sie zu.
»Niemandem wirst du davon berichten. Du willst es doch selbst. Traust dich bloß
nicht, es zuzugeben.«
    Anne drehte dem Mann den Rücken zu und schob ihre
Tochter vor sich her. Über die Schulter gab sie zurück: »Du bist ja pervers,
ein richtiges Schwein.«
    Er ging jetzt auf sie zu, hielt sie am Arm fest und
versuchte sie umzudrehen.
    »Du kleine Türkennutte, glaubst du wirklich, etwas Besseres
zu sein? Du solltest dich freuen, dass ein von Dirschau mit dir ins Bett will.«
    Anne versuchte sich zu befreien, konnte sich aber
seinem festen Griff nicht entwinden.
    »Lass mich auf der Stelle los, sonst rufe ich um
Hilfe«, fauchte sie ihn an.
    Seine Augen weiteten sich. Er schüttelte den Kopf.
»Nein …«, stieß er hervor. »Du wirst nicht schreien!«
    Anne war inzwischen ebenfalls atemlos. Es war die
Angst, die ihr die Kehle zuschnürte. Nie hätte sie für möglich gehalten, was
sie jetzt erlebte.
    »Doch. Du gehörst ja eingesperrt. Du … Du …«
    Weiter kam sie nicht.
    Sie sah nur einen Schatten, der auf sie niedersauste.
Ein blitzartiger Schmerz durchzuckte sie, als der Golfschläger

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