Tod in der Marsch
sie mich gefeuert
haben … Nix. Gar nix.«
»Hatte Ihre Frau auch Kontakte zu den
Arbeitskollegen?«
Dahl kniff die Augen zusammen: »Was willst du damit
sagen? Dass Anne –«
Schnell unterbrach Christoph ihn: »Ich möchte
lediglich wissen, ob Ihre Frau die Kollegen kannte. Eventuell war sie mit einer
der Frauen bekannt oder gar befreundet. Das wäre doch möglich, oder?«
Der Schluckauf hinderte Dahl einen Moment zu
antworten. »Nee, nix da …«, dabei fegte er mit seinem Arm durch die Luft, »so
eine ist meine Anne nicht. Die ist … war … immer zu Hause. Ein ganz braves
Mädchen … meine Anne«, sprach er mit schwerer Zunge.
Dann hielt er inne, sah Christoph aus zu schmalen
Schlitzen zusammengepressten Augen an und polterte urplötzlich los: »Verdammte
Scheiße! Mit dem Türken hat sie gebumst. Mit diesem verdammten Türken .
Wenn ich den erwische, dann … den mach ich alle.«
»Können Sie mir etwas über diesen ›Türken‹ – wie Sie
ihn nennen – sagen? Wie heißt er? Wie sieht er aus? Sind Sie ihm schon einmal
begegnet?«
»Nee!«, antwortete Dahl knapp.
»Was nee?«, bohrte Christoph nach.
Der Mann griff zu einer Bierflasche und nahm einen
Schluck.
»Nee! Ich hab ihn noch nie gesehen … bin ihm nie
begegnet. Aber wenn ich …«
»Woher wissen Sie von der Existenz dieses angeblichen
Türken?«
Peter Dahl machte eine wegwerfende Handbewegung: »Blöde Frage … Das is so …«
»Sie haben folglich nichts weiter als einen Verdacht
gehabt?«
»Mensch, das merkt ‘nen Mann doch.« Er tippte
sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. »Ich bin doch nicht blöd!«
»Wie hat Ihre Frau reagiert, als Sie sie mit diesen
Vorwürfen konfrontierten?«
Zum ersten Mal hatte es den Anschein, als fühlte Dahl
sich bei etwas Unrechtmäßigem ertappt. Er sah betreten auf den Boden und wippte
mit seinen Fußspitzen. Nach unendlich langer Zeit kam es mühsam aus ihm heraus: »Ich hab ihr eine gescheuert … Dann hat sie ihre Sachen gepackt und ist mit
Lisa abgehauen.«
Christoph ersparte sich einen Kommentar zu diesem
Eingeständnis. »Jeder – auch Sie – hat Ihre Frau als pflichtbewusste Mutter
geschildert. Darum ist es verwunderlich, dass sie Ihre Tochter nicht zur Schule
schickt. Haben Sie dafür eine Erklärung?«
Der Mann sah immer noch auf seine Fußspitzen. Dann
schluckte er heftig. Mit einem feuchten Schleier vor den Augen blickte er
Christoph an. »Bitte … sagen Sie mir: Wo ist meine Tochter?«
»Damit wir offiziell etwas unternehmen können, ist
eine Vermisstenanzeige erforderlich«, erklärte Christoph. »Ich habe bereits ein
Formular vorbereitet. Das müssten Sie als Vater unterschreiben.« Er zückte
einen Kugelschreiber, drückte ihn Dahl in die Hand und zeigte auf die Stelle im
Vordruck.
Mühsam malte der Mann seinen Namen.
Wir haben jetzt eine rechtliche Legitimation für das
weitere Vorgehen, dachte sich Christoph. Warum muss bei uns alles immer so
formell und bürokratisch abgewickelt werden? Da fühlt man sich wie ein
erfolgreicher Handelsvertreter, dem es nach aufwendigen Vertragsverhandlungen
endlich gelungen ist, die begehrte Unterschrift unter dem Auftrag zu erhalten.
Seine Gedanken schweiften kurz ab zu seiner
persönlichen Situation ab, als er durch die schmalen Straßen zum Polizeirevier
zurückging. Nach langjähriger Ehe war der Alltag eingeschliffen, mit Riten
besetzt, die automatisch abgewickelt wurden. Jeder im Haushalt erledigte die
ihm zufallenden Handgriffe. Erst jetzt, wo er nicht zum Feierabend ins
gemeinsame Heim zurückkehren konnte, wurde ihm das Fehlen des Vertrauten
bewusst. Er verstand plötzlich die Bedenken, die seine Frau Dagmar gegen seine
Abkommandierung nach Husum vorgebracht hatte. Gottlob war es nur eine
vorübergehende Aufgabe. Und in absehbarer Zeit würde er wieder nach Kiel
zurückkehren und das gewohnte regelmäßige Leben weiterführen …
*
»Papiertiger«, brummte Große Jäger vorsichtig, als
Christoph die Vermisstenanzeige im Büro präsentierte.
Mommsen hatte das Formular übernommen, wortlos und
akkurat eine Akte angelegt und gefragt: »Und nun?«
»Ich würde gern einmal einen Blick in die Wohnung von
Frau Dahl werfen«, schlug Christoph vor. Er sah auf die Uhr. »Es ist zwar schon
Abendbrotzeit, aber das interessiert mich nun doch. Der Tag ist ohnehin
verschenkt …«
»Das ist eine gute Idee, obwohl uns das ja nicht
möglich ist«, wandte Mommsen ein. »Wir haben keine Berechtigung, in die
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